Das Kondom wird zum wichtigsten Verhütungsmittel

Gib Gummi

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Möglicherweise reflektieren die Verschiebungen, die die aktuelle Statistik der BzgA zeigt, nun ein verstärktes Unbehagen an hormonellen Mitteln. In den vergangenen Jahren häuften sich die Veröffentlichungen, in denen die Pille als »Lifestyledroge« kritisiert wurde. Das hormonelle Präparat werde nicht in erster Linie als Verhütungsmittel, sondern zur Behandlung von Akne, bei Problemen mit unregel­mäßiger Periode, Stimmungsschwankungen, zur Verschönerung der Haare oder Vergrößerung der Brüste eingenommen. Für viele junge Mädchen ­bilde die Einnahme der Pille eine Initiation in die Weiblichkeit, es fehle ­ihnen aber an adäquater Aufklärung über die Risiken und Nebenwirkungen, zu denen die Verminderung der Libido ebenso zählen kann wie Depressionen, Thrombosen oder Lungenembolien.

Der Pillenkritikerin Sabine Kray zufolge kann die Pille nicht länger »als Instrument der sexuellen Befreiung« angesehen werden, weil »ein Körper, der in vielerlei Hinsicht chemisch manipuliert und nicht unerheblichen, teilweise nicht einmal absehbaren gesundheitlichen Risiken ausgesetzt ist«, nicht als selbstbestimmt angesehen werden könne. Der Feminismus des 20. Jahrhunderts habe in eine Sack­gasse geführt, weil er »die Unterschiede zwischen Männern und Frauen« negieren wollte, indem er den weiblichen an den als »Normkörper« inszenierten Männerkörper anzugleichen trachtete. Die Hormontherapie habe dazu gedient, den weiblichen Organismus in ein männliches System hineinzuzwängen, das von Naturbeherrschung und Erwerbsarbeit bestimmt sei. Von Anfang an habe die Pille »für die Regulierung eines als makelhaft empfundenen Körpers« gestanden. So habe »die Pharmaindustrie Einfluss auf das ­sexuelle Begehren von Millionen Frauen« genommen.

Angesichts dieses unheimlichen wie bedrückenden Fazits sieht Kray »nur einen einzigen Weg« – nämlich Boykott. Sie ruft auf zum »Verzicht auf die entsprechenden Präparate, solange kein Mittel verfügbar ist, das unsere Körper in der gleichen Form respektiert, wie es von potentiellen Mitteln für Männer erwartet wird«. Durch diesen Boykott soll die Pharmaindustrie dermaßen unter Druck gesetzt werden, dass sie alles dafür tut, »uns als Konsumentinnen zurückzugewinnen. Oder eben unsere Männer.« Bis dahin rät sie zu Kupferspirale und Kondom, vor allem macht sie sich aber für die sympto­thermale Methode stark, deren Pearl-Index – ein Maß für die Wirksamkein der Empfängnisverhütungsmethode – sie für »identisch mit dem der sichersten Antibabypillen« hält. Wie die Statistik der BzgA nun zeigt, erleben sogenannte natürliche Methoden, vormals vor allem unter Katholiken und Paaren mit unbewusstem Kinderwunsch ­beliebt, tatsächlich ein kleines Revival. Addiert kommen Kalender- und Temperaturmethode in der Studie allerdings auf gerade einmal fünf Prozent. Noch weniger Menschen kombinieren diese Methoden, wie von Kray empfohlen. Es ist fraglich, ob das die Pharmaindustrie beeindruckt.