Rassistischer Mordversuch

Normaler Hass

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An diese Einschätzung knüpfte auch H.s Verteidiger Dirk Lammer an, wendete sie allerdings zugunsten seiner Mandantin. Sie habe nicht gezielt rassistisch motiviert gehandelt, sondern den weitverbreiteten tradierten Antiziganismus in einer psychischen Ausnahmesituation lediglich nicht mehr unterdrücken können. Ihre tiefsitzenden Ressentiments hätten sich in den Beleidigungen niedergeschlagen, ­seien aber nicht handlungsbestimmend gewesen.

Antiziganistischer Alltag. Das Berliner Denkmal für die ermordeten Sinti und Roma wird regelmäßig geschändet.

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dpa / Paul Zinken

Nach langer Beratung entschied die Strafkammer: H.s Messerangriff war antiziganistisch motiviert, die Attacke gegen Viorel M. ein versuchter Mord. Dass das Gericht den Hass auf Roma und Sinti als Tatmotiv würdigte, hält Anja Reuss für ein gutes und wichtiges Zeichen. Für Unverständnis der Nebenkläger sorgte indes die Bewertung des Angriffs auf Maria G. Die Verletzung am Hals sei ohne Tötungsabsicht im Gerangel entstanden, hier liege lediglich eine gefährliche Körperverletzung vor, so das Gericht. Anwältin Samour sieht in dieser Einschätzung einen Kompromiss, den das Gericht wohl nach ­einer schwierigen Entscheidungsfindung habe treffen wollen, der aber ­unbefriedigend sei. Das Gericht habe es damit verpasst, ein klares Zeichen ­gegen Rassismus zu setzen. Auch Reuss hält die Beurteilung für ein verheerendes Signal: Maria G.s erfolgreiche Gegenwehr habe dazu geführt, dass die Attacke gegen sie nicht als Mordversuch anerkannt werde.

Ob der Urteilsspruch Bestand hat, wird nun ein Strafsenat des Bundesgerichtshof nach Aktenlage entscheiden: Die Verteidigung der Angeklagten hat laut Lisa Jani, der Sprecherin der Berliner Strafgerichte, Revision gegen die Entscheidung des Landgerichts eingelegt. Das Urteil ist deshalb noch nicht rechtskräftig.