Künstliche Intelligenz erkennt die wahre Liebe

Das digitale Gänseblümchen

Ob eine begehrte Person diese Gefühle erwidert, ist nicht immer leicht zu erkennen. Da soll künftig künstliche Intelligenz helfen, die verbale und nonverbale Äußerungen deutet. Das eröffnet allerdings auch neue Möglichkeiten der Manipulation.
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Bevor ich meine Frau zum ersten Mal küsste, fragte ich sie einfach, ob ich dürfe. Bei einigen Freunden rief das Ungläubigkeit und sogar leichtes Entsetzen hervor. Sie fragten: Wie kann man nur so unromantisch sein? In ihrer Vorstellung hätte der erste Kuss wohl ohne weitere verbale Kommunikation und völlig intuitiv geschehen müssen. Nicht über Gefühle und Wünsche zu reden, aber dennoch auf magische Weise nichts misszuverstehen, scheint für viele zu den wesentlichen Merkmalen von Romantik zu gehören. Und weil nicht wenige Menschen große Schwierigkeiten mit derlei Unklarheiten haben und zugleich nicht darüber reden können oder wollen, gibt es mittlerweile Algorithmen, die das erledigen, wofür bislang Gänseblümchen sehr viele Blättchen lassen mussten (»Sie liebt mich, sie liebt mich nicht«).

Auch wenn einem Analyse-Apps vorgaukeln, ähnlich magisch zu funktionieren wie das Gänse­blümchen, hat ihre Funktions­weise wenig mit Romantik und viel mit Statistik zu tun.

Eine solche App nennt sich »Mei«. Sie wirft bei Whatsapp einen Blick in den Chat-Verlauf mit dem oder der Angehimmelten. Der Algorithmus analysiert die Konversation auf bestimmte Merkmale hin: Wie schnell und umfangreich wird geantwortet? Ist das Vokabular eher nüchtern oder eher verträumt? Fallen bestimmte Schlüsselworte? Das Ergebnis, die Antwort auf die Frage, ob eine bestimmte Person in einen verknallt sein könnte, wird als Prozentwert ausgegeben. Eine solche Analyse kostet zehn Euro. Die Entwickler der App wissen also genau, dass die Kundschaft eine gewisse Zahlungsbereitschaft hat, wenn dringend ein Gänseblümchen gerupft werden muss.

»Mei« kann allerdings noch mehr. Anhand der Chatverläufe untersucht die App Stimmungsschwankungen über Zeiträume hinweg und erstellt psychologische Profile anhand der sogenannten big five: Offenheit, Gewissenhaftigkeit, Extraversion, Ver­träglich­keit und Neurotizismus. Anhand dieser Kategorien wird die Person eingestuft – wiederum durch Angabe von Prozentwerten. Für solche psycho­logischen Profile braucht es nicht zwingend Chat-Verläufe aus Whatsapp. So wertet die App »Keigo« zwei Twitter-Accounts aus und vergleicht, ob diese zueinander passen. Sie dient allerdings nicht nur der An­bahnung von Romanzen, sondern soll dem Her­steller zufolge auch dazu genutzt werden können, sich auf Bewerbungsgespräche vorzubereiten, Geschäftspartner zu beeindrucken oder die eigene Partnerin beziehungsweise den Partner besser zu verstehen.