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Für mich bitte keinen Senf

Kolumne Von

Warum es in diesem Herbst als schick gilt, auszusehen wie etwas, das auf einem Papptellerchen übrig geblieben ist, nachdem die eigentlich dort wohnende Wurst aufgegessen oder weggeworfen wurde, ist durchaus ein Rätsel. Also nicht, warum die Farbe Senf, die ebenso euphemistisch wie an den Realitäten des Lebens vorbei manchmal auch als Gold oder Mais bezeichnet wird, zur Modefarbe des Herbstes bestimmt wurde, denn das ist klar: Hass auf Frauen ist schließlich noch nicht ausgestorben. Oder es handelt sich um eine gravierende Farbwahrnehmungsschwäche, kann auch sein. Oder beides. Jedenfalls: Senf. Überall Senf. Manchmal ­sogar kombiniert mit Ballonärmeln, was auch kein schöner Anblick ist, wozu wir vielleicht gleich noch kommen oder vielleicht auch nicht.

Auszusehen, als seien sie aus Versehen in einen Bottich voller Billigsenf gefallen, scheint jedenfalls das Saisonziel einer bedauerlich großen Menge Frauen zu sein, die sich von eigenartigen Lobeshymnen in Fachzeitschriften haben ver­wirren lassen, in denen schamlos behauptet wird, wie großartig diese Farbe doch sei, und dass sie wahlweise in Europa für Glück oder im fast vorgeschichtlichen Japan in Form von mostrichtkolorierten Orden eine begehrte Auszeichnung für Krieger gewesen sei, was selbstverständlich alles nicht stimmt, denn wenn Glück aussähe wie Senf, wäre Schokolade ja wohl nicht dunkelbraun. Und wenn Ballonärmel, früher auch gern als Puffärmel bezeichnet, ein schöner oder erstrebenswerter Anblick wären, dann wären sie ständig modern und nicht nur alle 25 Jahre, wenn mal wieder eine Generation herangewachsen ist, die keine Ahnung mehr hat, wie abscheulich das Stoffgewalle um die Oberarme herum aussieht, weil die modischen Verwirrungen für einige Zeit nachgelassen hatten. Also, kein Senf. Danke.