CDU als Mitbewohner

CDU sucht neue Bleibe

»Rauswerfen können wir sie immer noch« Die preisgekrönte Reportage.

»Der Putzplan hängt hier, die Gruppenkasse für die Gemüsekiste steht direkt darunter. Und bitte, die Herren: Wir setzen uns alle schön hin auf dem Örtchen, gell!« Hier, in der Gutzkowstraße, nur ein paar Minuten von der Berliner S-Bahnstation Schöneberg entfernt, in bequemer Laufweite zum Volkspark Schöneberg, liegt die WG von Amelie und Lisa. Ab März werden die beiden ­Studentinnen der Kunstgeschichte aus Herzogenaurach einen neuen, recht ungewöhnlichen Mitbewohner haben: den CDU-Landesverband ­Berlin.

»Am Anfang waren wir etwas überrascht, als die Anfrage kam«, sagt Amelie. »Eigentlich dachten wir für das dritte Zimmer an einen Schwulen. Oder einen Hund! Irgendwas ­Dekoratives halt.« Lisa nickt: »Aber gut neun Quadratmeter in Schöneberg, das kann sich halt nicht jeder leisten. Eins-eins kann man schon nehmen! Wir haben ja auch Kosten.«

Da kam der Anruf des Berliner CDU-Landesverbands wie ein Geschenk des Himmels. »Zunächst dachten wir: Hm, ob das gutgeht? Immerhin hat ja allein das Präsi­dium neun Mitglieder«, sagt Amelie. »Beisitzer noch gar nicht eingerichtet. Aber Herr Evers klang am Telefon sehr nett und auch so lustig verzweifelt, da dachten wir: Mensch, lassen wir uns doch mal ein auf diese Erfahrung. Rauswerfen können wir sie immer noch!«

Nachdem sich die Miete für die Räume der Landeszentrale am ­Wittenbergplatz binnen kurzem verdreifacht hat, muss der Verband nun kleinere Brötchen backen. »Wir zahlen weniger für Büromiete und nutzen das Geld lieber für die politische Arbeit«, sagte CDU-General­sekretär Stefan Evers. »Bei Amelie und Lisa hat die Chemie sofort ­gestimmt. Sie bieten moderne Infrastruktur und sind offen für Inno­vationen. Zum Beispiel können wir als CDU einen Sandwichtoaster in die WG einbringen. Und sind gleichzeitig näher am Menschen!« Für Treffen des 41köpfigen Landesvorstands steht die gemütliche WG-­Küche zur Verfügung – diverse Brettspiele inklusive. »Es wird ein bisschen enger, aber uns als CDU soll keiner sagen, dass wir nicht hundert Prozent zur organischen Mietentwicklung in den großen Städten stehen! Wenn Sie mich jetzt entschuldigen, gleich ist WG-Plenum, und wir wollen Lisa rausmobben.«