Die »Neue Zürcher Zeitung« versucht, mit rechten Themen und Thesen in Deutschland zu expandieren

Mitmischen im rechten Medienmarkt

Wie die »Neue Zürcher Zeitung« zur Stichwortgeberin für Rechtsextreme in Deutschland wurde.

Als Björn Höcke, der Landesvorsitzender der AfD Thüringen, bei der 200. Demonstration des rechtsextremen Bündnisses Pegida in Dresden sprach, schallten auch die gewohnten Schreie durch die Luft: »Lügenpresse! Lügenpresse!« Daran angelehnt sprach Höcke in seiner Rede abschätzig vom »politmedialen Establishment unseres Landes«, das die Ministerpräsidentenwahl von Thüringen zum »Dammbruch« erklärt habe. »Von keinem einzigen deutschen Qualitätsmedium« sei dies hinterfragt worden. Lediglich die »größte und wichtigste Zeitung der Schweiz« habe diese Frage gestellt. »Es war die NZZ, die Neue Zürcher Zeitung«, sagte Höcke und zitierte aus einem Kommentar der Zeitung zur Thüringen-Affäre: »Nein – das ist Demokratie«. Er zitierte zudem Roger Köppel, den Chefredakteur der rechtspopulistischen Schweizer Weltwoche, der Merkels Äußerung, die Wahl müsse rückgängig gemacht werden, als verfassungswidrig angegriffen hatte. Bezeichnend sei, dass er wieder eine Schweizer Zeitung zitieren müsse, so Höcke. Er habe Merkel auf einen Ratschlag Köppels hin wegen ihrer Äußerung verklagt.

Der Schweizer Markt ist im Vergleich mit dem deutschen winzig, die Expansionsmöglichkeiten in Deutschland sind riesig, zumal der digitale Zeitungsmarkt über Ländergrenzen hinweg funktioniert.

Während die Weltwoche, die bei ihrer Gründung 1933 der faschistischen Bewegung der Frontisten nahestand, schon seit 2001, also seit Köppels Übernahme der Chefredaktion, mit rechtspopulistischer Meinungsmache auffällt, erscheint Höckes Erwähnung der ehrenwerten NZZ eher ungewöhnlich. Anders als die Weltwoche, die das rechte Milieu der Schweiz mit einer kleinen Auflage bedient, hat die NZZ eigentlich einen guten Ruf, auch dank ihrer ausführlichen Auslandsberichterstattung. Vertreter der NZZ sind auch häufig Gäste in politischen Diskussionsrunden des öffentlich-rechtlichen deutschen Senders Phoenix. Benedict Neff, der leitende politische Deutschland-Korrespondent der NZZ und Autor des Artikels, den Höcke in seiner Rede zitiert hatte, saß in einer Podiumsdiskussion zur Thüringen-Affäre. In der Sendung sagte Neff, er könne die Empörung über die Wahl nicht nachvollziehen, diese sei völlig demokratisch. Er hatte geschrieben: »Dass er sich von der AfD wählen ließ, um seine politischen Ziele zu verfolgen, ist kein Makel.«

Bis dahin hatte Neff in der NZZ nach rechtspopulistischer Manier unter anderem Deutschland als »Disneyland für kriminelle Clans« sowie den Bundestag als »ein übergroßes Parlament« und »ein Paradies für Hinterbänkler und Parteisoldaten« bezeichnet, in dem »vorne ein paar Politiker die Show« machten, »hinten wird gedöst«. Neff bezeichnete Berlin mit gutbürgerlichem Ekel als »ein bisschen wie Afrika«, eine in Deutschland herrschende »Rassismushysterie« hat er auch schon beklagt. Polizisten seien »domestiziert«, »Softie-Polizisten«, weil sie nicht hart genug gegen Asylsuchende vorgingen. Ende Februar schrieb Neff in einem Artikel mit dem Titel »Anmerkungen zur deutschen Erregungsgesellschaft«, beträfen Gesetze Ausländer, so sei Deutschland oft unfähig, sie durchzusetzen. »Über allem liegt das Trauma des Zweiten Weltkriegs. Das macht Deutschland verwundbar.« Einen »Schlussstrich« nahezulegen und einen »Ausländerbonus« zu behaupten – die ideologische Nähe zur Neuen Rechten ist deutlich.
Neff, der seit dem 1. März als persönlicher Referent von Mathias Döpfner, dem Vorstandsvorsitzenden des Axel-Springer-Verlags, arbeitet, ist kein Einzelfall. Die NZZ veröffentlichte bereits eine Reihe von Artikeln über Deutschland, die rechtspopulistische Stimmungsmache betrieben und bisweilen etliche Fehler enthielten. In einem Artikel wurde zunächst behauptet, einer britischen Studie zufolge seien fast alle Zuschauer der deutschen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten politisch links. Die Zeitung revidierte die falsche Behauptung später und gab an, eine Graphik in der Studie sei »verkehrt interpretiert« worden. Ein Kommentator behauptete, das Vorgehen Carola Racketes und anderer Seenotretter im Mittelmeer sei offener Rechtsbruch gegen Italien und müsse verfolgt werden, obwohl Racketes Verhalten völlig rechtskonform war und es vielmehr die italienische Regierung war, die Rechtsbruch beging, als sie die Landung von geretteten Schiffbrüchigen verweigerte.

Wie auch die Schweizer Zeitung Republik bemerkte, hat sich die Deutschland-Berichterstattung der NZZ unter dem Chefredakteur Eric Gujer vor allem seit 2015 stark verändert, dem Jahr der Aufnahme vieler Flüchtlinge hierzulande. Die NZZ folgt damit der allgemeinen Entwicklung der politischen Rechten in nahezu allen westlichen Ländern, diejenigen Staaten, die viele Flüchtlinge aufgenommen haben, als katastrophale Negativbeispiele darzustellen, als failed states, in denen Terror, Bürgerkrieg, eine linke Diktatur herrschten und denen gar der Zerfall drohe. Über eine skeptische Weltsicht und eine konservative Deutung des Geschehens geht das weit hinaus. Bisweilen werden auch fake news verbreitet, etwa Berichte über angebliche »No-go-Zones«, erfundene Anschläge in Schweden oder antisemitische Verschwörungstheorien über »Eliten« und »Globalisten«, die »das Volk« unterjochten. Diesen extremen Rechten zufolge ist es nicht möglich, Flüchtlinge in größerer Zahl aufzunehmen, ohne den Zusammenbruch des Staatswesens zu provozieren.

Zwar besteht die Gefahr des islamistischen Terrors weiterhin, doch in den Jahren seit 2015 hat das Ausmaß des rechtsextremen Terrors bedrohlich zugenommen, der die meisten seiner Propagandalügen mit dem rechtspopulistischen Milieu teilt, das wiederum von der NZZ bedient wird. Neben Höcke berufen sich viele weitere rechtspopulistische bis rechtsextreme Personen auf die NZZ, die stellvertretende AfD-Bundestagsfraktionsvorsitzende, Beatrix von Storch, forderte deutsche Journalisten zu Volontariaten bei der Zeitung auf. Der ehemalige Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen verstieg sich gar zu der Aussage, die NZZ sei »so etwas wie Westfernsehen«, als er einen Artikel mit dem Titel »In deutschen Städten sieht die Mehrheitsgesellschaft ihrem Ende entgegen« in sozialen Medien verbreitete.

Die NZZ sah sich deshalb zwar zu einer Distanzierung vom Wort »Westfernsehen« genötigt, doch die Anbiederung an Rechtsautoritäre in Deutschland lohnt sich für die Zeitung. Die von ihr forcierte Expansion ins deutsche digitale Medienangebot führte bereits zu einem sprunghaften Anstieg an Abonnementzahlen hierzulande, die deutschen Klickzahlen dürften bald diejenigen der kleinen Schweizer Sparte übertreffen. Der Schweizer Markt ist im Vergleich mit dem deutschen winzig, die Expansionsmöglichkeiten in Deutschland sind riesig, zumal der digitale Zeitungsmarkt über Ländergrenzen hinweg funktioniert. Aber auch ohne einen weiteren Zugewinn an Marktanteilen gehört die Berichterstattung der NZZ längst zum rechten feedback loop in Deutschland.