Scharlatane und Quacksalber behaupten, Covid-19 heilen zu können

Dünne Suppe gegen das Virus

Seit Jahrzehnten hat keine Krankheit die Menschen so verunsichert wie Covid-19. Während die Wissenschaft an Medikamenten und Impfstoffen arbeitet, versuchen Scharlatane, die Ängste der Menschen auszunutzen.

Es ist eigentlich alles ganz simpel: Vier zerkleinerte Karotten oder eine gewürfelte Süßkartoffel, dazu Zwiebeln, Ingwer, Tomate und Shiitake-Pilze – fertig ist die »Heilbrühe bei Virusinfekten, deren Bestandteile man einfach bei niedriger Hitze 1 Stunde köcheln lässt«. Während Wissenschaftler in Laboren und Kliniken überall auf der Welt rund um die Uhr daran arbeiten, Therapien oder Impfstoffe gegen das neu­artige Coronavirus und Covid-19 zu finden, stellen sich die Freunde von ­Naturheilverfahren in die Küche und machen sich eine Brühe.

Auch vegane Frischkost sei gut, die hätte schon bei der Spanischen Grippe geholfen.

Das Rezept, veröffentlicht auf der Internetseite natuerliche-therapie.de, ist nur ein Beispiel für das große Thema der Naturheilkundler und Homöopathen: Nahrungsergänzung. Zugeführt wahlweise über bestimmte Lebensmittel oder Tabletten soll sie die ­Abwehrkraft des Körpers gegen die Infektion mit Sars-CoV-2 stärken und ihm so helfen, das Virus zu bekämpfen. Nutzen tut das alles nichts. Nicht nur das baden-württembergische Verbraucherschutzministerium weist darauf hin, dass Nahrungsergänzungsmittel eine Covid-19-Infektion weder heilen noch verhindern können. Alle Landes- und Bundesbehörden gehen gegen Mittel mit unhaltbaren Heilversprechen vor. Auch Social-Media-Plattformen wurden sensibilisiert. Gibt man bei Google »Corona natürlich heilen« ein, erscheint ein Warnhinweis: »Aktuell gibt es kein bestimmtes Medikament, mit dem sich die Coronavirus-Erkrankung (Covid-19) verhindern oder behandeln lässt.« Wenn man sich krank ­fühle, solle man bitte einen Arzt aufsuchen.

Die Covid-19-Pandemie ist für die Esoteriker mit Heilambitionen Traum und Alptraum zugleich. Gegen Sars-CoV-2 gibt es bislang keinen Impfstoff, gegen die vom Virus verursachte Erkrankung Covid-19 keine Heilmittel. Verzweifelt kämpfen die Mediziner in den Krankenhäusern der Welt um das Leben der Patienten und greifen dabei zu vorhandenen Medikamenten, von denen sie glauben, dass sie helfen könnten. Zahlreiche Medikamenten- und Impfstoffstudien sind angelaufen, aber es gibt noch kein valides Ergebnis. In den Augen vieler Kritiker der medizinischen Wissenschaft ist das ein Beleg für deren Hilflosigkeit. Aber so richtig überzeugt von den eigenen Verfahren sind nicht alle: Beim Deutschen Zentralverein homöopathischer Ärzte (DZVhÄ) scheint man sich angesichts des Ernsts der Lage darüber klar zu sein, das ­Homöopathie zwar eine wunderbare Methode ist, um sich von den Patienten den nächsten Porsche Cay­enne ­finanzieren zu lassen, aber gegen Covid-19 besser nicht eingesetzt werden sollte. Der Zentralverein ruft zur »Zurückhaltung hinsichtlich jeder Art von homöopathischen Vorsorge- oder Therapie-Empfehlungen im Zusammenhang mit dem ›Corona-Virus‹« auf und schlägt vor, den Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts (RKI) Vorrang zu geben.

Diese Ansicht teilen allerdings einige im Zentralverein organisierte Ärzte nicht. Wolfgang Springer erklärt auf seiner Website, dass er überzeugt sei, Patienten mit erheblicher, schwerer, aber nicht lebensbedrohlicher Symp­tomatik »kurativ, also heilend, helfen« zu können. Nur wie, das kann er leider nicht sagen, denn: »Es ist eine individuelle Behandlung; es gilt, ein individuelles Mittel für einen einzelnen Patienten mit einzigartigem Krankheitsverlauf zu finden.«

In zahlreichen Apotheken und im Online-Handel werden trotzdem zahlreiche Globuli gegen das Coronavirus angeboten. Da selbst Globuli nicht mit frei erfundenen Wirkungen beworben werden dürfen, bauen die Verkäufer schon bei der Wahl des Namens auf die Phantasie und den Glauben der ­Zuckerkügelchenanhänger. Apotheker, welche die Abwehrkraft solcher Glo­buli bewarben, wurden bereits im Februar von Verbraucherzentralen ab­gemahnt.

Andere verweisen auf angebliche Erfolge der Homöopathie bei der Bekämpfung vergangener Seuchen. Zum Beispiel sei während der Spanischen Grippe 1918 in New York der Gesundheitsbeauftragte der Stadt ein homöopathischer Arzt gewesen, der Schulen, Theater und Kinos nicht schloss, sondern für Aufklärungsmaßnahmen nutzte. Was nicht stimmt: New York reagierte während der Spanischen Grippe schnell, rigide und erfolgreich, schloss Schulen und schränkte die ­Benutzung der U-Bahn ein – die klassischen Mittel der Verminderung von Kontakten, wie sie auch zurzeit weltweit Standard ist.

Nicht nur Mediziner, die als Homöopathen tätig sind, verbreiten solchen Unsinn, was umso gefährlicher ist, da viele Ärzten allein aufgrund ihres ­beruflichen Hintergrundes Vertrauen entgegenbringen. Der Schweizer Arzt Andreas Bircher, Enkel des Müsli-Erfinders Maximilian Oskar Bircher-Benner, hält das neuartige Coronavirus für nicht gefährlicher als eine Grippe und empfiehlt als Therapie heiße Bäder. Auch vegane Frischkost sei gut, die hätte schon bei der Spanischen Grippe geholfen. Der Tiroler Zahnarzt Robert Altrichter empfiehlt, einen Krug Wasser auf eine Zeichnung zu setzen und das Wasser zu trinken, nachdem es die Information aufgenommen habe. Im Zuge seiner Forschungen, erklärt Altrichter in einem Video, habe er ein ­uraltes Symbol gefunden, dessen Spitzen nach außen wiesen und geöffnet seien: »So wie auch das Coronavirus als RNA einfach offenbleibt. Alle Biosystheme im Körper sind rund und abgeschlossen, und dieses Symbol ist ­etwas anderes. Diese Information, dem Körper gegeben, hilft ihm, eine anti­virale Bereitschafts-Immunität aufzubauen.«

Angeblich schon während der ersten Phase der Covid-19-Welle sollen chine­sische Ärzte hochdosiertes Vitamin C erprobt haben, einen Klassiker der ­sogenannten Alternativmedizin. Die Ärzte erzielten der Legende nach Er­folge, indem sie Patienten vier bis 16 Gramm Vitamin C pro Tag spritzten. In Videos wird für alle, die es sanfter mögen, empfohlen, den Saft mehrerer Zitronen heiß zu trinken. Nun ist Vitamin C generell gesund und stärkt die Abwehrkräfte. Aber bei der Einnahme von mehr als drei Gramm täglich ist der Sprint zur Toilette angesagt: Über­dosiert führt Vitamin C zu Durchfällen und Magen-Darm-Beschwerden. Viren abtöten kann Vitamin C übrigens nicht.

Noch weiß niemand, wann es einen Impfstoff gegen das neue Virus geben wird. Für die Impfgegner ist das kein Grund, sich zurückzuhalten. Auch wenn Lars Schaade, Vizepräsident des Robert Koch-Instituts, in der vergangenen Woche noch sagte, er halte eine Impfpflicht für nicht notwendig, da er mit ­einer breiten Akzeptanz für einen Impfstoff gegen Sars-CoV-2 rechne, sind Impfgegner misstrauisch. Dem Virologen der Charité, Christian Drosten, werden auf der Seite impf-info.de autoritäre Phanta­sien vorgeworfen und Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) die Planung eines »Ermächtigungsgesetzes«. In diesen Kreisen hält man Covid-19 für kein ­größeres Drama und ist bereit, bis zu ein Prozent der Bevölkerung in der Bundesrepublik daran sterben zu lassen: rund 800 000 Menschen. Andere Impfgegner bezweifeln die Existenz des neuen Coronavirus und sehen eine von Bill Gates gesteuerte Verschwörung am Werk. Sars-CoV-2 hat nicht nur viel Leid verursacht, sondern auch ­einen gewaltigen globalen Markt geschaffen. Dem Unternehmen, dem es gelingen wird, ein Medikament oder einen Impfstoff gegen das Virus zu entwickeln, winken Milliardengewinne. Naheliegend, dass auch diejenigen, die zwar außer einem schön gemachten Video und einem schwurbeligen Text nichts zur Lösung des Elends beizutragen haben, ein Stück vom Kuchen ­abhaben wollen. Dass sie mit der Angst der Menschen spielen, stört sie kaum. Das ist in Homöopathen- und Esoterikerkreisen ohnehin die Grundlage des ­Geschäfts.