Am Meer fremde Leute beobachten

Meer und Abendbrot

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Es ist noch da, das Meer, genauer die West­ostsee, die in diesem Moment sogar sehr viele und recht hohe Wellen hat, was aber bloß am Wind liegt. Ansonsten ist alles wie immer, die Urlauber urlauben, das heißt, manche sitzen an den Buhnen herum und leeren viele Flaschen Bier und Sekt, während sie immer roter werden, was an der Sonne liegt und daran, dass die Sonnencreme vergessen wurde, vermutlich. Und manche sitzen im Strandkorb und lesen, wie der mittelalte Familienvater, der sich für die Ferien offenkundig »Die Pest« von Camus vorgenommen hat und nun dasitzt mit dem Buch, während die schon fast jugendlichen Kinder im kalten Meer baden und die Frau SMS schreibt, oder den großen Gegenwartsroman, man weiß es halt nicht. Ein paar Stunden später geht es ab in den Supermarkt, schön im Gänsemarsch, man will ja niemanden anstecken, wobei die fast schon jugendlichen Kinder formvollendet miesgelaunt spazieren, vielleicht weil es keine Aussicht auf altersgerechte Abendunterhaltung gibt, coronabedingt, oder vielleicht weil sie bloß verstimmt sind über die Aussicht, beim Abendbrot erneut einen Vortrag über das Werk von Camus im Allgemeinen und »Die Pest« im Besonderen anhören zu müssen, kann auch sein, oder womöglich haben sie auch nur schlechte Laune, weil sich das in der Pubertät so gehört. Vor dem Supermarkt steht ein junger Ein­heimischer und telefoniert mit seinen Kumpels beziehungsweise brüllt, denn es windet nun stärker und so hören alle, die auch nur ansatzweise in der Nähe sind, was es über die Abendplanung zu wissen gibt, nämlich: »Ist doch egal, wo wir uns zuschütten«, was vermutlich auch die Kumpels so sehen, denn schon ist das Gespräch vorbei und man vernimmt nur noch das Meer mit den vielen Wellen und erblickt große Mengen Miesgelauntheit bei den fast schon Jugendlichen. Auch schön.