Nach der Razzia bei einem rechtsextremen KSK-Soldaten bemüht sich das Verteidigungsministerium um Schadensbegrenzung

Schäfchen mit scharfer Munition

Nach der jüngsten Razzia bei einem rechtsextremen Soldaten des Kommandos Spezialkräfte stellen die Verteidigungsministerin und andere Verantwortliche ihren Tatendrang zur Schau. Sie wollen damit kritischen Fragen aus dem Bundestag zuvorkommen.

Sein Spitzname klingt harmlos: Bei seinen Kameraden vom Kommando Spezialkräfte (KSK) ist der Soldat Philipp Sch. auch als »Schäfchen« bekannt. Sein Fall zeigt, dass die Behörden bei der Aufklärung rechtsextremer Vorkommnisse in der Bundeswehr noch sehr viel zu tun haben werden.

Während einer Razzia Mitte Mai hoben Beamte der Polizei und der »Soko Rex« des sächsischen Landeskriminalamts auf dem Grundstück des 45jährigen in Collm (Sachsen) ein Waffenversteck aus. Neben einer Kalaschnikow, NS-Devotionalien und weiteren Waffen fanden sie Munition und Sprengstoff, teils aus Beständen der Bundeswehr. Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden wirft Sch. Verstöße gegen das Kriegswaffenkontroll-, das Waffen- und das Sprengstoffgesetz vor. Er sitzt seit der Razzia wegen dringenden Tatverdachts in Untersuchungshaft.

Neben einer Kalaschnikow, NS-Devotionalien und weiteren Waffen fand die Polizei bei dem rechtsextremen Soldaten Munition und Sprengstoff, teils aus Beständen der Bundeswehr.

Recherchen der Taz zufolge fiel der als Ausbilder eingesetzte Oberstabsfeldwebel dem Militärischen Abschirmdienst (MAD) bereits im April 2017 auf. Bei einer skandalträchtigen Abschiedsfeier für den damaligen Kompaniechef, Oberstleutnant Pascal D., auf einer Schießanlage bei Sindelfingen (Baden-Württemberg) soll er mit seinem scheidenden Vorgesetzten und anderen KSK-Soldaten den Hitlergruß gezeigt und Musik der Naziband »Sturmwehr« gehört haben, wie der öffentlich-rechtliche Youtube-Kanal Y-Kollektiv damals berichtete. Nach einem Hinweis auf das Waffenversteck Anfang dieses Jahres informierte der MAD die Polizei.

Da Sch. knapp 20 Jahre in einer führenden Funktion im KSK diente, ohne vor 2017 aufgefallen zu sein, wirft das nicht nur die Frage nach der vorherrschenden Gesinnung in der verdeckt operierenden Truppe auf. Die Häufigkeit rechtsextremer Verdachtsfälle in der Spezialeinheit liegt um ein Vielfaches höher als in anderen Abteilungen der Bundeswehr. Derzeit ermittelt der MAD gegen 20 der insgesamt etwa 1 000 KSK-Soldaten. Der Fall Philipp Sch. erneuert zudem den Verdacht, dass im KSK ein rechtsextremes Netzwerk besteht. Schließlich ist der Fall des Prepper-Netzwerks um den ehemaligen Kommandosoldaten André S. (»Hannibal«) und den unter Terrorverdacht stehenden Oberleutnant Franco A. (Jungle World 48/2018) weiterhin nicht aufgeklärt. Da Sch. die Munition und den Sprengstoff wohl nicht allein abgezweigt haben kann, wie unter anderem der Generalinspekteur der Bundeswehr, General Eberhard Zorn, dem Spiegel zufolge mutmaßt, muss es zumindest Mitwisser gegeben haben. Auch bei André S. hatten die Ermittler Waffen und Sprengstoff aus Bundeswehrbeständen gefunden. Wie aus einem als Verschlusssache eingestuften Schreiben an den Verteidigungsausschuss des Bundestags hervorgeht, liegen dem Bundesverteidigungsministerium derzeit keine Erkenntnisse vor, wonach Sch. zu einer rechtsextremen Prepper-Chatgruppe gehört hätte.

Ließen sich die Verantwortlichen vom Verdacht bis zur Hausdurchsuchung drei Jahre Zeit, so duldeten sie bei der öffentlichkeitswirksamen Schadensbegrenzung keinen Aufschub. Bereits am ersten Abend der dreitägigen Razzia versicherte Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) in einer Plenarsitzung im Bundestag den Abgeordneten, der Oberstabsfeldwebel werde »keine Uniform mehr tragen und keine Liegenschaft der Bundeswehr mehr betreten dürfen«. Fünf Tage später verschickte der Kommandeur des KSK, Brigadegeneral Markus Kreitmayr, einen Brandbrief an seine Soldaten. Darin attestierte er seinem Verband, sich in der »schwierigsten Phase seiner Geschichte« zu befinden, und rief rechtsextreme Soldaten zum freiwilligen Austritt auf: »Tun Sie es nicht, werden Sie feststellen, dass wir Sie finden und entfernen werden!«

Schließlich kündigte Kramp-Karrenbauer Ende Mai die Gründung einer fünfköpfige Arbeitsgruppe an, der auch Generalinspekteur Zorn und Brigadegeneral Kreitmayr angehören werden. Unterstützt von der neuen Wehrbeauftragten Eva Högl (SPD) soll das Gremium eine »Strukturanalyse« des KSK anfertigen und dem Parlament bis zu dessen letzter Sitzungswoche vor der Sommerpause ein »konkretes Maßnahmenpaket« präsentieren, mit dessen Hilfe »rechtsextremistische Tendenzen von vornherein unterbunden« werden können.

Sowohl der zur Schau ­gestellte Tatendrang als auch die strategische Einbeziehung der parlamentarischen Wehrbeauftragten sollen in erster Linie kritischen Fragen aus dem Par­lament zuvorkommen. Dieses erwartet bereits den Bericht des Sonderermittlers des Parlamentarischen Kontrollgremiums des Bundestags, Arne Schlat­mann. Seit Ende 2018 geht dieser rechtsextremen Netzwerken in der Bundeswehr nach. Nach der Razzia bei Philipp Sch. erteilte das Kontrollgremium Schlatmann den zusätzlichen Auftrag, auch das Wissen des MAD und des Bundesamts für Verfassungsschutz über in den vergangenen zehn Jahren verlorengegangene Waffen, Sprengstoff und Munition sowie deren Wiederauftauchen in rechtsextremen Kreisen in seinen Bericht einzubeziehen. Schlatmann darf Akten einsehen und Behördenmitarbeiter befragen.

Dass auf die überstrapazierte Rede von »null Toleranz« für rechtsextreme Strukturen in der Bundeswehr nicht viel zu geben ist, zeigte im vergangenen Jahr der Fall des entlassenen Unteroffiziers Patrick J. Er hatte dem MAD ein Dossier über rechtsextreme Vorfälle zukommen lassen. Das Personalamt der Bundeswehr bezeichnete jedoch einen Großteil der Meldungen als »übertrieben und haltlos«, sprach J. die »charakterliche Eignung für den Soldatenberuf« ab und entließ ihn.