Dem ehemaligen Journalisten Iwan Safronow drohen in Russland bis zu 20 Jahre Haft wegen Landesverrats

Ein Seitenwechsler in Haft

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Womöglich ist es für einen Investigativjournalisten in Russland gefährlicher, seinen Beruf zugunsten einer Stelle in einer Behörde aufzugeben, als diesen weiter auszuüben. Bei Iwan Safronow lagen zwischen seinem Wechsel zur staatlichen Raumfahrtagentur Roskosmos und seiner Festnahme am 7. Juli jedenfalls nur wenige Wochen. Am Montag legte der ermittelnde Inlandsgeheimdienst FSB eine Anklage wegen Landesverrats vor, worauf bis zu 20 Jahre Haft stehen. Über einen langen Zeitraum hatte der Staatsschutz den 30jährigen bespitzelt. Er will herausgefunden haben, dass der ehemalige Journalist seit 2012 in Kontakt mit dem tschechischen Geheimdienst gestanden habe. Seit 2017 habe er an diesen Informationen über die militärische Zusammenarbeit Russlands mit Ländern im Nahen Osten und in Afrika weitergeleitet, die für die USA bestimmt gewesen seien. Safronow beteuert seine Unschuld. Seine Verteidiger tun sich schwer, die Vorwürfe einzuordnen. Denn aus den Unter­lagen geht nicht hervor, wer Safronow angeworben, wann und wie er die Informationen weitergegeben und wer ihn dafür bezahlt haben soll. Es ist nicht einmal klar, ob das Material geheim gewesen sein soll.

Zehn Jahre lang schrieb Safronow in der Tageszeitung Kommersant über heikle Themen, etwa den Verkauf von Su-35-Jagdflugzeugen an Ägypten, was die USA zur Sanktionsdrohungen gegen das Land veranlasste und Safronow ein Verhör wegen Verrats von Staatsgeheimnissen einbrachte. Er schrieb auch über den Tod russischer Soldaten in Syrien, über korruptionsverdächtige Praktiken bei Roskosmos und Dmitrij Rogosin, den Leiter dieser Behörde, als dessen Berater er bis zu seiner Festnahme kurzzeitig fungierte. Safronow verließ Kommersant 2019, nachdem er über eine mögliche Versetzung der Vorsitzenden des Föderationsrats, Walentina Matwijenko, auf einen anderen Posten berichtet hatte. Seine hochrangigen Quellen wollte Safronow aus Sicherheitserwägungen nicht preisgeben.

Anders als vor einem Jahr, als Massenproteste die Freilassung des wegen Drogenhandels inhaftierten Journalisten Iwan Golunow erwirken konnten, hält sich die Solidarität mit Safronow in Grenzen. Nicht nur wegen der Brisanz der Vorwürfe: Oppositionelle wie Aleksej Nawalnyj fühlen sich von ihm verraten, weil er die Seite gewechselt hat.