Über die Schwierigkeiten für Frauen, sich sterilisieren zu lassen

Kinderfreiheit schwer gemacht

Weibliche Lebensentwürfe ohne Kinder gelten als nicht normal. Viele Hindernisse werden Frauen in den Weg gelegt, die sich sterilisieren lassen wollen.

Die feministische Bewegung fordert seit Jahrzehnten: »My body, my choice« – mein Körper, meine Entscheidung. Das Recht auf körperliche Selbstbestimmung ist aber auch im Jahr 2020 anscheinend immer noch weniger wert als das Recht des deutschen Staats, über die Uteri seiner Staatsbürgerinnen zu bestimmen. Weiterhin sind beispielsweise Schwangerschaftsabbrüche nicht legal, sondern lediglich unter bestimmten Umständen straffrei. Jungen Mädchen wird hingegen recht unbesorgt die Pille verschrieben, selbst wenn sie die Hormone erst mal nur ­gegen schlechte Haut und für volleres Haar nehmen wollen – und unbedarfte Jungen sollen schließlich nach un­geschicktem Kondomgebrauch keine skandalträchtige Teenagerschwangerschaft produzieren.

Die dauerhafte Lösung des Problems, schwanger werden zu können, ist dagegen schwer zu bekommen: eine Sterilisation, also das Durchtrennen der Eileiter. Wenn eine Frau noch keine Kinder hat, ist diese Entscheidung für viele Ärzte nicht akzeptabel, auch wenn kein Kinderwunsch besteht. Wenn man überhaupt einen Arzt dafür findet, kostet der Eingriff je nach Methode zwischen 600 und 1 600 Euro. In der Regel werden die Eileiter durchtrennt und die Enden werden verschlossen.

Dagegen verläuft die Vasektomie, also das Durchtrennen der Samenleiter, vergleichsweise unproblematisch – und ist um einiges günstiger. Laut der Beratungsstelle Pro Familia belaufen sich die Kosten hier auf 300 bis 400 Euro pro Eingriff. Davor muss ein Beratungsgespräch bei einem Urologen stattfinden, dies ist jedoch nur eine Formalität; die Entscheidung des Sterilisierungswilligen wird selten angezweifelt, das Prozedere ist unbürokratisch. Beide Formen der Sterilisation können je nach angewandter Technik unter Umständen rückgängig gemacht werden, die Chance auf eine Schwangerschaft ist allerdings niedriger als vor dem Eingriff.

Auf der Website des Vereins »Selbstbestimmt steril«, der sich für die freie Entscheidung zur Sterilisation einsetzt, berichten Frauen von ihren Erfahrungen. Die Gründe für eine Sterilisation sind so vielfältig wie die Biographien. Eine junge Frau berichtet von ihrer Sorge darüber, ein Kind in eine Welt zu setzen, deren Fortbestehen fraglich ist; ein Kind nähme ihr zudem die berufliche und private Freiheit, die sie sich für ihr Leben wünscht. Eine andere nennt gesundheitliche Gründe: Sie hat Endometriose (meist schmerzhafte Wucherungen von Gewebe der Gebärmutterschleimhaut außerhalb des Uterus, Anm. d. Red.) und eine Zyste, außerdem ein hohes Risiko für Gebärmutterhalskrebs. Hormonelle Verhütung ist unter diesen Umständen problematisch. Eine dritte verträgt hormonelle Verhütungsmethoden nicht, eine weitere wünscht sich finanzielle Unabhängigkeit, die sie mit Kind nicht für möglich hält. Manche haben bereits Kinder und wollen keine weiteren.

So verschieden diese Frauen und ihre Berichte sind, eine Aussage haben sie alle gemeinsam: »Ich möchte keine (weiteren) Kinder.« Die reproduktiven Rechte, die Menschenrechte sind, sollen garantieren, dass jeder Mensch diese Entscheidung für sich treffen kann. Auch die Wahl der Methode sollte demnach frei sein. Da hormonelle Verhütung oder eine Kupferspirale oft mit Unannehmlichkeiten oder gesundheitlichen Risiken verbunden sind, wenige heterosexuelle Paare in einer langfris­tigen monogamen Beziehung mit Kondom verhüten und kein Verhütungsmittel hundertprozentig schützt, ist die Sterilisation eine naheliegende Option. Doch in einem Land, in dem eine Frau immer noch hauptsächlich als zukünftige Mutter betrachtet wird, kann man es nicht einfach so zulassen, dass diese ihre Fruchtbarkeit, quasi die Essenz ihres Frauseins, aufgibt. Weibliche Lebensentwürfe, die keine Kinder be­inhalten, werden immer noch mit Skepsis betrachtet. Frauen, die auf keinen Fall Mutter werden wollen, gelten als abnormal, was ihnen permanent vorgehalten wird. Eine junge Frau berichtet, dass der Anästhesist sie vor ihrer Operation beschuldigte, sie weigere sich, »ihre gesellschaftliche Pflicht« zu erfüllen.

Wohl jede Sterilisationswillige erfährt bei der Suche nach einem Arzt eine Form der Entmündigung. Sei es mit 20 oder mit 30 Jahren: Immer heißt es, man sei noch zu jung, um sich für so einen finalen Schritt entscheiden zu können. Eine Frau müsse doch Kinder haben wollen und werde die Sterilisation früher oder später bereuen. Jede Frau, die offen davon spricht, keine Kinder zu wollen, kennt die erst schockierten, dann paternalistischen Reaktionen. »Das ist aber schade«, sagen die einen, die anderen wissen: »Du hast einfach noch nicht den Richtigen gefunden«, oder: »Deine biologische Uhr wird auch noch zu ticken anfangen.« Die Fähigkeit, bewusste Entscheidungen zu treffen, wird den Sterilisierungswilligen abgesprochen. So wird Frausein auf eine biologische Funktion, Weiblichkeit auf das Muttersein reduziert: Als Frau ist man kein Subjekt, sondern potentielle Gebärmaschine.

Obwohl es für volljährige Frauen legal ist, sich sterilisieren zu lassen, gibt es immer noch vergleichsweise wenige Ärzte und Ärztinnen, die den Eingriff vornehmen. Auch Medizinerinnen, die sich der Frauengesundheit verschrieben haben, sind nicht frei von patriarchalen Geschlechtervorstellungen oder dem Gedanken, dass Kinder ein integraler Bestandteil des weiblichen Lebens sind. Viele Gynäkologinnen weigern sich aus eher vagen moralischen oder ethischen Gründen, eine Sterilisation vorzunehmen. Manche machen den Eingriff erst bei Frauen ab Mitte 30 oder wenn diese bereits Kinder haben, einige wollen ein psychologisches Gutachten.

Viele Ärztinnen und Ärzte begreifen den gebärfähigen Körper als »gesunden Körper«, der nicht »kaputtoperiert« werden dürfe, kritisiert Susanne Rau, die Gründerin von »Selbstbestimmt steril« im Gespräch mit der Jungle World. Viele Ärzte lehnten es ab, den Eingriff vorzunehmen, weil er nicht medizinisch notwendig sei. Es sei zudem recht schwer, Informationen über das Thema zu finden. Anders als bei der Vasektomie gebe es keine Adressenlisten, viele Frauen müssen daher sämtliche Gynäkologinnen in der Umgebung anrufen und riskieren trotzdem, niemanden zu finden, der oder die den Eingriff vornimmt. Rau und ihre Mitstreiterin Katia von der Heydt haben »Selbstbestimmt steril« gegründet, um allen Personen mit Uterus die Suche nach Ärztinnen und Ärzten zu erleichtern. Bald soll es auf der Website eine Karte geben, mit deren Hilfe Ärzte und Kliniken gefunden werden können, die den Eingriff vornehmen.

Die Gesellschaft reduziert Frauen immer noch auf ihre traditionelle Rolle in der Reproduktionssphäre, da der ­patriarchal strukturierte Kapitalismus auf unbezahlte weibliche Reproduktionsarbeit und die Kontrolle von Körpern angewiesen ist. Gleichzeitig werden transgeschlechtliche Männer und nichtbinäre Menschen mit Uterus in der ­Diskussion über Schwangerschaften und Reproduktion kaum wahrgenommen. Die gesellschaftlichen Normen für Schwangerschaft und Reproduktion dienen dazu, traditionelle Geschlechterrollen aufrechtzuerhalten und Abweichungen davon zu stigmatisieren.