Der Faustkampf und die Frauen aus dem Iran

Kinnhaken gegen den Tugendterror

Von Bienen und Schmetterlingen – die Boxkolumne.

Vor einigen Wochen kursierte die Meldung, dass Frauen in der iranischen Provinz Khuzestan nicht mehr boxen dürften. »Jede Aktivität in der Frauenabteilung«, einschließlich »Coaching, Training, Ausbildung und Theorieunterricht«, sei nicht mehr erlaubt, habe es vom zuständigen Verband in der Provinz geheißen. Männliche Trainer, die weiterhin Frauen trainierten, müssten die »Konsequenzen ihres Handelns« tragen. So konnte man es beispielsweise Ende Mai auf der englischsprachigen Seite des Portals al-Arabiya lesen.

Dem Boxsport nachzugehen, war für Frauen im Iran schon zuvor extrem schwierig bis unmöglich. Das Beispiel Sadaf Khadem zeigt das deutlich. Die Iranerin begann 2016, mit einem männlichen Trainer in einem Park in Teheran zu trainieren. »Eines Tages sagten sie uns, dass wir nicht mehr im Park üben dürfen, weil ich eine Frau bin und das Boxen nichts für Frauen ist«, sagte Khadem in einem Interview. Sie und ihr Betreuer fanden Wege, dass sie in einem abgelegenen Dorf drei- oder viermal in der Woche üben konnte. Als sie wegen des Boxens nicht zum Studium zugelassen worden war, arbeitete Khadem in einem Sportverein im Teheraner Stadtteil Yusef Abad. Dort entdeckte sie eine Fotografin.

Die Fotos einer boxenden Frau führten zu Kontroversen im Iran. Männliche Boxer verspotteten die junge Sportlerin und behaupteten, sie könne nicht boxen. Um überhaupt trainieren zu können, gründete sie einen Privatclub. Im April vergangenen Jahres lud der französische Verband Khadem zu einem Kampf ein. Offiziell durften sich Frauen im Iran seit November 2018 auf der Website der iranischen Boxföderation registrieren. Vorausgegangen war, dass die International Boxing Association (IBA) nach Intervention zahlreicher islamischer Länder gestattete, dass Boxerinnen im Hijab an Turnieren teilnehmen.

Am 14. April 2019 gewann Khadem ihren Kampf gegen Anne Chauvin in der westfranzösischen Stadt Royan. Als erste Iranerin überhaupt siegte sie in einem internationalen Vergleich. Statt Jubel ereilten sie aus ihrem Herkunftsland jedoch Drohungen. Schon vor dem Kampf hatte die iranische Botschaft in Frankreich ihr Regeln für den Auftritt im Ring auferlegt: Sie sollte im Hijab kämpfen, keinem Mann die Hand schütteln und »ihre Grenzen« beachten.

Die Boxerin beugte sich dem Tugendterror nicht – sie boxte in Shorts, einem schulterfreien Trikot und ohne Hijab; ihr Trainer, der Schieds- und die Kampfrichter waren Männer. Behörden im Iran sollen nach dem Kampf einen Haftbefehl gegen sie erlassen haben. Der Vorsitzende des iranischen Boxverbands, Hossein Soori, sagte, dass »der Verband ihr keine Erlaubnis« für die Teilnahme erteilt habe. Aus Furcht vor einer Verhaftung blieb Khadem deshalb in Frankreich.