Wie der Hoodie zur Alltagsmode wurde

Nicht ohne meinen Hoodie

Die Kapuze gehört zur Alltagsmode. Doch nicht immer wird sie als harmlos angesehen. Sie macht verdächtig, kann erniedrigen oder Macht symbolisieren.

»Ich verfluche den, der einen Mantel mit Kapuze gestohlen hat, damit die Göttin Sulis Tod über ihn bringe und ihm keinen Schlaf und keine Kinder jetzt oder in Zukunft ge­währe.« Mächtig sauer war jener offenbar keltische Gast, der diesen Fluch in einem römischen Bad als Graffiti hinterließ. Auch im zweiten Jahrhundert schätze man schon den Komfort der Kapuze. Zu vielen Zeiten war sie en vogue, aber auch ein Stigma oder Privileg. Der heute so populäre Kapuzenpulli kommt aus der Sportbekleidung. Die Verbindung zu Punk, HipHop und Skateboardfahren verleiht ihm etwas Rebellisches, dabei ist er längst in der Alltagsmode angekommen. Beliebt ist die Kapuze bei linken Demonstrationen, da sie wie die Sonnenbrille eine gedul­dete Form der Vermummung darstellen kann. Das Tragen von Ka­puzenpullovern soll für Jugendlichkeit bürgen. Unter dem Hashtag #Hoodiejournalismus versammelten sich 2014 zumeist im Online-Bereich tätige Journalisten, die mit den Regeln des Zeitungsjournalismus brechen und dies mit einem betont lässigen Kleidungsstil ausdrücken wollten. Aber auch der damalige Bild-Chefredakteur Kai Diekmann präsentierte sich als Kapuzenträger und demonstrierte damit aufdringlich, dass er sich Leuten wie dem Kapuzenträger Mark Zuckerberg ähnlich wähnt.

Seit Sylvester Stallone einen Underdog spielte, der sich im Hoodie zur Meisterschaft boxt, ist das Kleidungsstück aus Sportszenen im Film nicht mehr wegzudenken; ebenfalls 1976 joggte Dustin Hoffman im Thriller »Marathon Man« im alsbald unvermeidlichen Kapuzenpullover.

Für Sporttrainer gehört die Ka­puze zur Normalausstattung, sie schützt Feuerwehrleute und Fischer, auch Imker tragen eine Haube. Fe­tischisten zwängen sich in Latex­kapuzen, Anne Geddes’ Kitschfotos zeigen Babys unter Tierkapuzen, ­Hacker hocken mit Kapuze vor dem Rechner, glaubt man den Symbol­bildern der Presse. Die meisten Träger schätzen die Kapuze als Alltagsbegleiter, der auf den Schultern hängt oder bei Bedarf über den Kopf ge­zogen wird und vor Regen schützt. Manche Ka­puzen­träger fühlen sich darunter geborgen, manche Mitmenschen empfinden sie als bedrohlich. Die Geschichte der Kapuze kennt Täter und Opfer, erzählt von Terror und Autorität, aber auch von Anonymität und Widerstand.

Das Wort wurde um 1500 aus dem Italienischen entlehnt, als Misch­wort aus caput (Kopf) und cappa (Kappe). Schon immer schützte der Mensch seinen Kopf, weshalb die Übergänge von der Kapuze zur Mütze historisch fließend waren. Man denke an den eingangs zitierten fluchenden Badegast der Antike. Im Mittelalter waren von der Mönchskutte bis zum Adelsgewand viele Kleidungsstücke mit Kapuzen versehen. In der heutigen Vorstellung vom finsteren Mittelalter sind die Darstellungen des Henkers und des Sensenmanns fest verankert, die ihr Gesicht unter einer weiten ­Kapuze verbergen. Der maskierte Scharfrichter erscheint als besondere Bedrohung. Tatsächlich war der Kopf des Henkers im Mittelalter zumeist unbedeckt, ihn kannte ohnehin jeder in der Gemeinde. Der mittelalterliche Henker in Kapuze ist eine Vorstellung späterer Zeiten. Man barbarisierte das Mittelalter, um die Gewalt der eigenen Gegenwart zu projizieren – etwa die Lederkapuzen, die in einigen US-Bundesstaaten noch heute dem Delinquenten auf dem elektrischen Stuhl aufgesetzt werden. In Wahrheit wird die Kapuze hier zur Entmenschlichung benutzt. Sie schränkt die Wahrnehmung ein, macht ängstlich und degradiert zum Objekt.

Auch der Tod zeigte sich im ­Mittelalter nackt. Erst die Maler der Renaissance zogen den Knochenmenschen an. So zeigt das Gemälde »Triumph des Todes« von Pieter Bruegel Skelette mit schwarzen Kapuzen. Der Tod in Kapuzengestalt, oft als Symbol des Bösen, zog in die Kulturgeschichte ein, von Gustave Dorés traurigem Sensenmann auf dem Mond bis zu den rassistischen Anhängern von Lord Voldemort in den Harry-Potter-Romanen. Selbst Imperator Palpatine in den »Star Wars«-Filmen und Walt Disneys Figur wicked queen aus »Schneewittchen« tragen Kapuze. Robin Hood gibt die Haube den Namen und viele Superhelden kommen nicht ohne Kopfbedeckung aus.

Zum Sinnbild rassistischen Terrors wurde die spitz zulaufende Kopfbedeckung des Ku-Klux-Klan. Die weißen Lynchmobs des 19. und 20. Jahrhunderts verkleideten sich zwar, um sich bei ihrem mörderischen Tun zu tarnen, aber erst im propagandistischen Stummfilm »Birth of a Nation« ließ D. W. Griffith 1915 Mitglieder des Ku-Klux-Klan unter Kapuzen schlüpfen. Die Kapuze wurde alsbald zum Markenzeichen der Bewegung, schreibt die US-amerikanische Autorin Alison Kinney in ihrer 2016 erschienenen Kulturgeschichte der Hoodies. Die Kapuze habe den Mitgliedern ein Gefühl von Zugehörigkeit, Coolness und Verwegenheit vermittelt.

2012 wurde der schwarze Jugendliche Trayvon Martin erschossen. Er hatte am Abend noch ein paar Süßigkeiten eingekauft und trug einen Kapuzenpullover. Dass er schwarz war und seinen Kopf bedeckt hatte, machte ihn für einen Nachbarschaftswächter verdächtig. Der Freispruch für den Täter führte zu Protesten und schließlich zur Gründung der »Black Lives Matter«-Bewegung.

Martin trug ein Allerweltskleidungsstück: Der Kapuzenpullover ist global verbreitet. Die US-Firma ­Champion brachte den sogenannten Hoodie in den dreißiger Jahren auf den Markt. Zuerst sollten die Hoodies Arbeiter im Winter wärmen, bald gehörten sie zur Sportbekleidung beim US-Militär. Das Boxerdrama »Rocky« verschaffte dem Kapuzenpullover 1976 besondere Popularität. Seit dem Film über den von Sylvester Stallone gespielten Underdog, der sich zur Meisterschaft durchboxt, ist das Kleidungsstück aus Sportszenen im Film nicht mehr wegzudenken; Ebenfalls 1976 joggte Dustin Hoffman im Thriller »Marathon Man« im alsbald unvermeidlichen Kapuzenpullover. Unzählige Male wird der Jogger im grauen Hoodie zitiert, nicht zuletzt in der TV-Serie »House of Cards«. Mit dem jeweiligen Universitätslogo bedruckt, wurden Hoodies bei Studenten beliebt. Breakdancer entdeckten die Kapuze als wärmendes Accessoire, Sprayer und Skater als Mittel der ­Tarnung – Skateboardfahren auf öffentlichen Straßen war in den Westküstenstaaten der USA eine Weile untersagt. Mit der wachsenden Popularität der entsprechenden Subkul­turen wurden Hoodies massenkompatibel und eroberten auch die Laufstege. Dennoch verweigerte 2005 ein Einkaufszentrum in der englischen Grafschaft Kent Kunden mit Hoodies den Zutritt. Ebensolche Kapuzenpullover wurden dort weiterhin zum Kauf angeboten.