Die Polizei geht gegen die Hamburger Antiimperialisten des »Roten Aufbau« vor

Wenn der Staatsschutz keinmal klingelt

Die Hamburger Polizei ermittelt wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung gegen die Organisation Roter Aufbau. Diese ging in der Vergangenheit mit Gewalt gegen andere Linke vor, nun ruft sie die gesamte radikale Linke zur Solidarität auf.

»Das SEK hat wieder die Tür eingetreten und die Cops haben alles mitgenommen. Also bin ich nicht unter meiner Nummer zu erreichen erst mal«, teilte Halil Simsek am Montag voriger Woche lakonisch mit. Bereits 2017 hatte sich das Spezialeinsatzkommando der Hamburger Polizei zweimal um sechs Uhr morgens Zutritt zu seiner Wohnung verschafft.

Simsek ist Sprecher der antiimperialistischen Organisation Roter Aufbau, 2017 vertrat er das Bündnis »G20 entern«. Der Hamburger Inlandsgeheimdienst beschuldigte vor dem G20-Gipfel auf seiner Internetseite drei Personen der Organisation radikalerer Proteste: Emily Laquer von der Interventionistischen Linken, Andreas Blechschmidt von der Roten Flora und Halil Simsek vom Roten Aufbau. Derzeit läuft gegen die gesamte Organisation ein Ermittlungsverfahren nach Paragraph 129 des Strafgesetzbuchs, also wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung.

Bei der Großrazzia beschlagnahmten die Beamten Computer, Mobiltelefone, Speichermedien und Kleidungsstücke.

»Der Staat schickte am 31. August etwa 200 Polizisten, um uns zum Teil mit dem SEK und Maschinengewehren aus dem Bett zu holen«, schrieb der Rote Aufbau in einem Solidaritätsaufruf. Den Durchsuchten werde vorgeworfen, Mitglieder des Roten Aufbau Hamburgs zu sein und eine kriminelle Vereinigung gebildet zu haben. 28 Durchsuchungsbeschlüsse wurden vollstreckt, die meisten davon betrafen die Wohnungen von 22 namentlich Beschuldigten, fast alle wohnhaft in Hamburg. Zwei durchsuchte Wohnungen liegen außerhalb der Stadt, ein Beschuldigter wohnt im nordrhein-westfälischen Siegen. »Die Beamten des Staatsschutzes führen im Auftrag der Zentralstelle Staatsschutz der Generalstaatsanwaltschaft Hamburg seit 2019 ein Ermittlungsverfahren gegen insgesamt 22 Mitglieder einer linksextremen Gruppe wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung«, teilte Rene Schönhardt, der Pressesprecher der Hamburger Polizei, mit. »Im Rahmen der Durchsuchungen wurden mehr als 200 Beamte eingesetzt, umfangreiche Beweismittel wurden sichergestellt, deren Auswertung andauert.« Bei der Großrazzia beschlagnahmten die Beamten Computer, Mobiltelefone, Speichermedien und Kleidungsstücke. Irgendetwas wird sich schon finden, scheint die Devise zu sein.

»Dies ist eine größere Aktion gegen unsere Strukturen, solche Angriffe hat es lange nicht gegen eine Gruppe der radikalen Linken gegeben«, schrieb der Rote Aufbau bereits am Tag der Razzia. Die teilweise martialische Art der Durchsuchungen erinnere an die Verfolgung terroristischer Attentäter. Für Samstag ruft der Rote Aufbau deshalb zu einer Demonstration unter dem Motto »Standhalten gegen Repressionswelle und Klassenjustiz« auf der Hamburger Reeperbahn auf.

Bereits bei einer ersten Spontandemonstration am 31. August gegen die Ermittlungen erbat sich der Rote Aufbau eine »spektrenübergeifende« Unterstützung. Die Hamburger Gruppe Grow, die zum Bündnis »Ums Ganze« gehört, rief zur Teilnahme auf: »Lassen wir uns nicht einschüchtern – unsere Solidari­tät gegen ihre Repression!« Die Interventionistische Linke Hamburg schrieb: »Wir sind uns in vielem uneinig, aber: Solidarität, wenn staatliche Repression zuschlägt!« Auch Mitglieder der trotzkistischen SAV beteiligten sich an der ersten Spontandemonstration. Dennoch kam die große Mehrheit der mehreren Hundert Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus dem Umfeld des Roten Aufbaus.

Die Geschichte der Organisation erleichtert die Solidarisierung nicht gerade. Im Internet findet sich unter chronikroteraufbau.blackblogs.org ein Text mit dem Titel »Warum der Rote Aufbau Hamburg kein Teil der emanzipatorischen Linken sein sollte«, der eine Chronik von 2009 bis 2019 »über Gewalt, Antisemitismus, autoritären Marxismus und Sexismus« umfasst. Insbesondere der Vorläufergruppe »Rote Szene Hamburg« (RSH), die sich 2015 als Roter Aufbau neu konstituierte, werden darin zahlreiche gewalttätige Angriffe auf als antideutsch identifizierte Linke vorgeworfen.

Auch an der antisemitischen Blockade der Vorführung des Films »Warum Israel« von Claude Lanzmann 2009 beteiligte sich die RSH. 2012 erklärte die Rote Flora: »In der Konsequenz lehnen wir eine Zusammenarbeit mit der RSH, der TAN ­(heute Assoziation Dämmerung) und der Sozialistischen Linken (SoL) ab.« In der ersten Reaktion auf die Großrazzia am 31. August schreibt der Rote Aufbau: »Getroffen hat es uns, gemeint ist aber die gesamte radikale Linke.« Dass manche Linke dieser Behauptung nicht zustimmen, hat der Rote Aufbau selbst zu verantworten. Für eine »spektrenübergreifende« Solidarität wäre es hilfreich, wenn der Rote Aufbau Linke mit abweichenden Meinungen nicht mehr als Klassenfeind, sondern als gleichberechtigt begreifen würde.