Homestory #43

»Post« ist nicht nur als Präfix – Postmoderne, Poststrukturalismus – eine anstrengende und oft frustrierende Angelegenheit. Auch in substantivischer Form ist die Post zuweilen herausfordernd. Die Aufbewahrung der Post in den Redaktionsräumen der Jungle World ist gelinde gesagt ineffizient organisiert. Eines dieser billigen Blechregale aus dem Baumarkt, die bereits nach dem ersten Aufbauen so aussehen, als seien sie schon jahrelang in Benutzung, steht dort herum – und ächzt. Denn seit sich der Großteil der Redaktion im Homeoffice eingerichtet hat, öffnet niemand mehr die papierene Post, und den verbliebenen Kolleginnen und Kollegen, die noch im Büro arbeiten, bleibt nicht viel anderes übrig, als zu stapeln, bis sich das Metall biegt und die ganze Konstruktion in besorgniserregende Schieflage gerät.

Falls Lenin wirklich den Sozialismus nach dem Vorbild der Post aufbauen wollte, hätte er mit der Art, wie das Postwesen bei Ihrer Lieblingszeitung gehandhabt wird, nicht mal den Zug nach Sankt Petersburg, seinerzeit Petrograd genannt, rechtzeitig erwischt. Denn dauernd verschwindet eine Sendung, oder ist verlegt, oder versteckt sich unter allerlei unwichtigen Päckchen und Umschlägen. Und doch kann man nicht willkürlich entsorgen, denn unter den Werbesendungen finden sich manchmal echte Schätze, die Leserinnen und Leser der Jungle World zukommen lassen. Die bösen Leserbriefe sind streng genommen zu Leser-Mails oder – noch schlimmer – Leser-Tweets geworden, doch die netten Aufmerksamkeiten kommen mit der Post vom Briefträger, zum Beispiel ein entzückendes Fanzine, das voriges Jahr die Redaktion erreichte und dessen Inhalt aus einem Interview bestand, das in der Zeitung erschienen war, illustriert mit kleinen Zeichnungen und gebunden mit einem kleinen Faden.

Apropos Post: Eine Leserzuschrift soll an dieser Stelle beantwortet werden. Interessiert fragte ein Leser nach, ob es sich bei der Flickflack schlagenden Person aus der neuen Kampagne »Schön ungemütlich« um einen besonders sportlichen Mitarbeiter oder eine athletische Mitarbeiterin der Jungle World handelt und, wenn ja, um wen. Die Antwort ist: Nein, der Mensch im Hoodie, der beim Zeitungslesen Bodenturnen vorführt, arbeitet nicht bei uns. Die Kampagne stammt von einer linken Berliner Gestaltungsagentur. Schön ungemütlich, nicht wahr?