Im Dannenröder Wald in Hessen protestieren Klimaschützer gegen den Ausbau der Autobahn 49

Die Autobahn und die Grünen

Seit einem Monat versucht die Polizei, die Besetzung von Klimaschützern im Dannenröder Forst zu räumen. Diese protestieren gegen den Ausbau der Autobahn 49, die künftig durch das hessische Waldgebiet führen soll. Die Grünen, die gemeinsam mit der CDU die Landesregierung bilden, geraten immer mehr unter Druck.

Der Ausbau der Autobahn 49 soll den Weg durchs hessische Hinterland zwischen Kassel und Frankfurt verkürzen und Nordhessen besser an Marburg, Gießen und Wetzlar anschließen. Entsprechende Pläne gibt es seit langem. Das Teilstück, das durch den Dannenröder Wald verläuft, ist bereits seit 40 Jahren in Planung, derzeit laufen Rodungsarbeiten.

Eine Planänderung zum Verlauf dieses Teilstücks gab es zuletzt vor 16 Jahren. Vorher sollte es durch den Herrenwald führen. Weil dort viele seltene Tierarten, darunter Kammmolche, beheimatet sind, erkannte die EU-Kommission den Wald 2004 als Fauna-­Flora-Habitat an. Das damalige CDU-geführte Verkehrsministerium stellte daraufhin eine alternative Trasse vor, die nur noch durch einen kleinen Abschnitt des Herrenwald verläuft und stattdessen insbesondere durch den Dannenröder und den Maulbacher Wald führt.

Ende Oktober besetzten das Bündnis Ende Gelände und Fridays for Future die Bundeszentrale der Grünen in Berlin. Man habe genug davon, »dass die Grünen sich als Klimaschutzpartei inszenieren«.

Umweltverbände protestieren seit langem gegen die Pläne. Seit etwa eineinhalb Jahren unternehmen Klimaschützerinnen und -schützer immer wieder Besetzungen, mit denen sie die Rodung zu verhindern versuchen. Auf ihrer Homepage schreiben die Waldbesetzer, dies sei notwendig, weil »andere Formen des Widerstands den Bau der A49 bisher nicht aufhalten konnten«.

Zuletzt waren im Sommer drei Klagen gegen den Weiterbau der Autobahn abgewiesen worden. Seit dem 1. Oktober ist die Polizei in den besetzten Wäldern im Einsatz. Tausende Polizisten und Spezialkräfte aus dem gan­zen Land räumen die Baumhäuser und schützen die Rodungsarbeiten für die Autobahntrasse. Die Besetzerinnen und Besetzer kritisierten wiederholt das gefährliche Vorgehen der Beamten und werfen ­diesen vor, bei Versuchen, Menschen von Baumhäusern herunterzuholen, wenig rücksichtsvoll zu agieren.

Auch wegen der Infektionsgefahr haben Klimaschutzgruppen, darunter das Bündnis Ende Gelände und Fridays for Future, den Großeinsatz wiederholt kritisiert. Die Fraktion der Linkspartei im hessischen Landtag forderte Mitte Oktober, den Einsatz der Polizei angesichts steigender Zahlen von Covid-19-Infektionen zu beenden.

Ende Oktober gab die bundes- und ländereigene »Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH« (Deges) bekannt, dass sie im ersten Rodungsmonat 53 Hektar Wald gerodet habe. Im Herrenwald müssten nur noch Restflächen bearbeitet werden, im Dannenröder Wald seien noch 27 Hektar zu roden. Bis zum Ende der Holzfällsaison im Februar 2021 sollen Deges zufolge alle Arbeiten abgeschlossen sein.

Für Debatten sorgten mehrere Aktionen gegen den Bau von Autobahnen, an denen sich Protestierende aus dem Dannenröder Wald beteiligten. Mehrfach seilten sie sich von Autobahnbrücken in anderen Gebieten des Bundeslands ab. Am 13. Oktober kam es bei einer solchen Aktion auf der A3 nahe dem hessischen Idstein zu einem Stau mit einem Auffahrunfall, nachdem die Polizei die Autobahn gesperrt hatte. Ein 29jähriger Autofahrer wurde dabei schwer verletzt. Die hessische Polizei bezeichnete dies in einer Pressemitteilung als »Folgeunfall« der Protestaktion. Die »Initiative Dannenröder Wald« dagegen hält es für »geschmacklos«, dass die Polizei den Unfall mit der Aktion in Verbindung bringe.

Nach Abseilaktionen an den Autobahnen 3, 5 und 661 Ende Oktober erließ die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main Haftbefehle gegen elf Beteiligte. Sie begründete ihr Vorgehen mit Fluchtgefahr, weil die Betroffenen die Feststellung ihrer Personalien verweigert hatten. Neun Personen kamen in Untersuchungshaft.

Der Protest gegen die Rodung im Dannenröder Wald hat zu großen Spannungen zwischen den Grünen und der Klimaschutzbewegung geführt. Seit 2014 regiert die Partei in Hessen gemeinsam mit der CDU. Zum Weiterbau der A49 verpflichteten sich beide Parteien in ihrem ersten Koalitionsvertrag. Dennoch versuchten die hessischen Grünen stets, die Verantwortung für das Projekt von sich zu weisen. Der Landesverband betonte wiederholt, dass der Bau der Autobahn eine Bundesangelegenheit sei – in der Landesregierung könne man dagegen kaum etwas tun. Man habe außerdem gehofft, dass es keine Finanzierungszusage des Bundes geben werde. Doch der Haushaltsausschuss des Bundes gab 2017 die Mittel zum Weiterbau frei.

Auf Bundesebene plädieren die Grünen dafür, keine weiteren Autobahnprojekte mehr zu verfolgen. Die Verlängerung der A49 bezeichnete die Parteivorsitzende Annalena Baerbock als »verkehrspolitisch, umweltpolitisch und klimapolitisch falsch«. Der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Anton Hofreiter, kritisierte, dass zahllose Straßenprojekte der Bundesregierung in den kommenden zehn Jahren die deutschen Klimaziele konterkarierten.

Umweltschützern von Ende Gelände und Fridays for Future reichten diese Aussagen nicht. Am 28. Oktober besetzten sie die Bundeszentrale der Grünen in Berlin. Man habe genug davon, »dass die Grünen sich als Klimaschutzpartei inszenieren«, hieß es in einer Stellungnahme des Bündnisses zur Besetzung. Wer in der »Klimakrise« Wälder abholze, um für Konzerninteressen »den deutschen Autowahnsinn voranzutreiben«, habe mit Klimaschutz »nichts am Hut«.