Der Abschiebestopp nach Syrien läuft aus

Abschiebungen mit Hindernissen

Ende des Jahres läuft der seit dem Jahr 2012 bestehende generelle Abschiebestopp nach Syrien aus. Auf der jüngsten Innenministerkonferenz konnten sich die beteiligten Minister von Bund und Ländern in der vorvergangenen Woche nicht darauf einigen, die Aussetzung von Abschiebungen zu verlängern. Ab Januar soll es Behörden wieder grundsätzlich möglich sein, Abschiebungen in das Land, in dem seit 2011 ein blutiger Bürgerkrieg tobt, in jedem Einzelfall zu prüfen. Der Entscheidung war eine Debatte zwischen den Innenministern vorangegangen. Besonders abschiebewillig zeigte sich dabei Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU). Wie die »Tagesschau« im November berichtete, hatte Seehofer angekündigt, bei der Innenministerkonferenz dafür einzutreten, dass Abschiebungen von »Straftätern und Gefährdern« nach Syrien in jedem Einzelfall geprüft werden können. Berichten der Welt zufolge gibt es etwa 100 solcher »Gefährder« in Deutschland. Zum Vergleich: Nach Angaben des Mediendienstes Integra­tion leben derzeit etwa 770000 Flüchtlinge aus Syrien in Deutschland, über 5700 von ihnen gelten nach Angaben des Bundesinnenministeriums als ausreisepflichtig.

Bereits vor der Innenministerkonferenz hatte Seehofer Unterstützung von Norbert Röttgen erhalten. Dem Spiegel zufolge hatte der CDU-Politiker gefordert, ein »klares politisches Zeichen« zu setzen, dass »Deutschland kein Schutzort für terroristische Gefährder ist«. Denn indem diese »uns als Staat und Gesellschaft angreifen«, hätten sie den von Deutschland gewährten Schutz verwirkt, sagte der Anwärter auf den CDU-Parteivorsitz.

Die Vorschläge Seehofers und seiner Parteikollegen riefen zwar auch Kritik hervor, jedoch weniger an der Sache selbst als an den Schwierigkeiten, die Vorgaben in die Tat umzusetzen. So sagte Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) dem Tagesspiegel zufolge, er finde es zwar sinnvoll, »Gefährder« nach Verbüßung ihrer Strafe in Deutschland nach Syrien abzuschieben, dafür gebe es aber gegenwärtig »weder rechtliche noch organisatorische Möglichkeiten«.

Auch der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius (SPD), Sprecher der von der SPD geführten Bundesländer bei der Innenministerkonferenz, kritisierte das Vorgehen und wies auf ­or­ganisatorische und administrative Schwierigkeiten bei Abschiebungen nach Syrien hin. Der Zeit zufolge sagte Pistorius, es gebe zurzeit weder Direktflüge nach Syrien noch diplomatische Beziehungen zur dortigen Regierung. Zudem fragte er, ob die Bundesregierung bereit sei, diplomatische Beziehungen mit dem »Verbrecherregime« von Präsident Bashar al-Assad aufzunehmen.

Schärfere Kritik an der Aufhebung des Abschiebestopps kam von der Opposition. So warf Claudia Roth (Bündnis 90/Die Grünen) in einem Beitrag auf ihrer Facebook-Seite den Innenministern von Bund und Ländern Verantwortungslosigkeit vor. Syrien sei weiterhin ein Kriegsland, in dem kein Mensch sicher sei. Es sei es nicht gerechtfertigt, Menschen einer Gefahr für Leib und Leben auszusetzen, auch wenn sie straffällig geworden sind, so Roth.

Ulla Jelpke, die innenpolitische Sprecherin der Fraktion der Linkspartei im Bundestag, machte in einem Beitrag auf ihrer Website darauf aufmerksam, dass es »absoluter Wahnsinn« sei, Menschen in einer Zeit, in der wegen der Covid-19-Pandemie auf Reisen verzichtet werden sollte, »per Abschiebung in Herkunfts- und Transitstaaten zurückzuzwingen«.

Auch zivilgesellschaftliche Organisationen übten scharfe Kritik am Ende des Abschiebestopps nach Syrien. Der Jungle World sagte Günter Burkhardt, Geschäftsführer der Menschenrechtsorganisation Pro Asyl, die Initiative der Unionsminister gehe vollständig an der »fatalen Menschenrechtslage« in Syrien vorbei. Er sehe die Entscheidung im Lichte des anstehenden Bundestagswahlkampfs, in dem sich die Union »nicht zu schade sein wird, mit solchen und ähnlichen Hardliner-Entscheidungen im rechten Lager auf Wählerfang zu gehen«.