Ein Poträt über Joan Rivers und ihren bissigen Humor

Alternde Körper, lachende Gesichter

Joan Rivers reflexiver, egalitärer Hass auf alles und jeden zielte vor allem auch auf sie selbst ab – und damit auf Schönheitsnormen, Geschlechterrollen und das Starsystem.

Seit jeher ist das Lachen der reinen, von Triebstruktur und Naturhaftem ­abstrahierenden Vernunft verdächtig. Denn im Lachen, das es als echtes nur spontan gibt, reagiert der Leib für einen Augenblick autonom und entzieht sich der Kontrolle, der er im Alltag unterliegt. In der Überrumpelung trifft sich Lachen mit Schrecken, und so, wie dieser paralysieren kann, kann sich jenes zum bedrohlichen Kollaps steigern.

»Comedy ist dazu da, alle über alles zum Lachen zu bringen und mit den Dingen zurechtzukommen«, schleuderte Joan Rivers einmal einem Zwischenrufer entgegen, der sich über einen ihrer Witze beschwert hatte.

Aber spontan ist das Lachen nur für diejenigen, die es überkommt. Aus Sicht der Komik, die instrumentell auf das Moment der Überraschung und dessen Verwirklichung im Gelächter zielt, ist die Hervorbringung des Lachens als Kunst ein Akt der Kalkulation und harte Arbeit. Die Rolle, die der Körper dabei spielen kann – in ungelenken Bewegungen, Stolpern oder Grimassen –, zeigt die visuelle Komik Buster Keatons oder Charlie Chaplins. In der modernen Stand-up-Comedy hingegen tritt das Körperliche häufig zurück, sie lebt von der Reduktion auf die leibliche und stimmliche Vermittlung eines Textes auf der Bühne, die da­rum kaum mehr als ein Mikrophon braucht. Gleichwohl bleibt der Auftritt eine körperlich-existentielle Erfahrung, was in Formulierungen wie to kill, wenn die Pointe gelingt, oder to die on stage, wenn die Lacher ausbleiben, noch nachhallt.

Die 1933 geborene und 2014 verstorbene Komikerin Joan Rivers, eine Meisterin der laut und schnell an­einandergereihten Dreizeiler, bediente sich sowohl der Tradition des Slapsticks als auch aus dem Repertoire der Stand-up-Comedy. Nicht nur nutzte sie bei ihren Auftritten häufig das Arsenal der visuellen Komik auf eine Weise, die heutzutage geradezu anachronistisch wirkt. Sie gestikuliert wild, verzieht das Gesicht, ihre Stimme überschlägt sich, sie arbeitet mit Requisiten oder bebildert ihre Pointen durch nahezu schauspielerische Kurzszenen. Vor allem aber korrespondiert der Rolle des Körpers bei der Darbietung eine auffällige Thematisierung des Leiblichen im Inhalt. Anders gesagt, kaum jemand hat den Körper – und zwar vor allem den eigenen, verfallenden, ­alternden und geschlechtlichen Körper – derart ins Zentrum der Kunst gestellt wie Joan Rivers. Sie verarbeitet darin sowohl ihre individuelle Emanzipationsgeschichte als Frau als auch die Rolle des weiblichen Körpers im dem Starsystem unterworfenen Showgeschäft.

Kulturindustrie und Oberfläche

Zu Anfang ihrer Karriere in den sechziger und siebziger Jahren wurde Rivers gefeiert, dann aus dem Comedy-Geschäft herausgedrängt und gegen Ende ihrer mühsam wiederaufgebauten Laufbahn allmählich als Vorbild zahlreicher zeitgenössischer Komikerinnen anerkannt. Rivers ­Œuvre haftet auch heute noch etwas Beklemmendes an. Damit ist weniger ihr scharfer satirischer Stil gemeint, wenngleich die skandalöse Wirkung, die eine vor Zoten und schwarzem Humor nicht zurückschreckende Frau damals hatte, heutzutage kaum noch zu ermessen ist. Lange bevor von political correctness überhaupt die Rede war, erlernte Rivers die bei Lenny Bruce und George Carlin perfektionierte Kunst der Beleidigung (zumeist anderer Stars), kultivierte über die Jahre hinweg einen egalitären, sich auf alles und jeden erstreckenden Hass und übte das Spiel mit den Grenzen des vom öffentlichen Anstand Gebotenen. Da die Logik dieses Spiels auf den Witz, der zu weit geht, zielen muss, überrascht es nicht, dass es bei ihren Auftritten häufig stark umstrittene Pointen über so gut wie jede Minderheit, den Holocaust und den 11. September gibt.

 

Anders als bei zeitgenössischen Comedians, man denke an Joe Rogan, wurde dies aber nie zum politischen Programm eines verunsicherten Liberalismus erklärt. Joan Rivers, einer lebenslangen Anhängerin der Republikaner, ging es vielmehr um die Verteidigung der konstitutiven Grenzenlosigkeit der Komik. »Comedy ist dazu da, alle über alles zum Lachen zu bringen und mit den Dingen zurechtzukommen«, schleuderte sie einmal einem Zwischenrufer entgegen, der sich über einen ihrer Witze beschwert hatte. »Grow up« – »Werdet erwachsen« – sagte sie, wenn das Publikum bei ihren Auftritten zu murren begann.

Beklemmend ist in der Rückschau, wie sich Rivers immer wieder selbst zum Objekt ihrer Komik gemacht hat und wie aus der Härte gegen sich selbst wiederum eine unnachgiebige Strenge gegenüber anderen wurde, nicht zuletzt anderen Frauen im Showgeschäft. Rivers’ Komik reflektierte, dass gerade die Karriere von Frauen in der Kulturindustrie an ihrem Körper hängt, weswegen dessen Verfall umso bedrohlicher ist.

Rivers wurde 1933 in Brooklyn als Joan Alexandra Molinsky in eine russisch-jüdische Familie geboren. In einem langwierigen, von Enttäuschungen und Niederlagen begleiteten Kraftakt entzog sie sich allmählich den Erwartungen ihrer Eltern, studierte Anthropologie und englische Literatur, spielte für kurze Zeit am Broadway und träumte von einer Karriere als Schauspielerin. Bereits bei frühen Auftritten sprach sie immer wieder davon, als Kind übergewichtig gewesen zu sein, erzählte von den Demütigungen ihres frühen Geschlechtslebens und den gesellschaftlichen Erwartungen an Frauen im Umgang mit Männern.

In den sechziger Jahren, während ihres Engagements bei der Chicagoer Theatertruppe Second City, verdich­tete sie diese Erfahrungen in einer Bühnenfigur, die sie über viele Jahre hinweg ausbaute. Dabei griff sie auf das Stereotyp der verwöhnten, selbstbezogenen, materialistischen »Jewish-American princess« zurück, trieb dieses aber über sich selbst ­hinaus und verwandelte die vermeintliche Naivität in eine pragmatische, kompromisslose Haltung. Gerade der Spott über sich selbst, der ihren Auftritten immer beigemischt war, wurde zu einer Quelle des Selbst­bewusstseins und immer mehr auch zum Maßstab des Urteilens über andere. »Ich hasse alle … Und wie alle Hasser, die sich selbst respektieren, hasse ich mich selbst am meisten«, schrieb Rivers später.

Fortan lautete die Forderung an sich und an andere, immer auf das äußere Erscheinungsbild zu achten und niemals die eigenen Interessen aus dem Blick zu verlieren. Rivers machte Witze über Schwangerschaft, Abtreibungen und das Paarungsverhalten der Männer, sie spottete über ihre fehlenden Hausfrauenqualitäten und ihren Umgang mit Kindern, sprach offen über ihren Körper und dessen Tücken. Darin reflektierte sich ihre prekäre Stellung im Showgeschäft, waren ihre Auftritte doch vor allem deshalb so beliebt, weil ihr ­Erscheinungsbild – das einer jungen, hübschen Frau – nicht zu den scharfen und zuweilen schmutzigen Pointen ihrer Witze zu passen schien.

Immer häufiger richtete sich ihre Satire gegen die weiblichen Ikonen ihrer Zeit (beispielsweise Elizabeth Taylor), mit denen sie häufig befreundet war, wobei sie auch hier bevorzugt auf den Körper und das Äußere zielte – wofür sie später in ­ihrer Show »Fashion Police« ein maßgeschneidertes Format fand. Dem eigenen Altern wiederum begann sie frühzeitig mit Schönheitsoperationen entgegenzuarbeiten, ganz so, als müsste die Prämisse des Showgeschäfts, Kunstprodukte zu fertigen und zu vermarkten, auch in ihrem Erscheinungsbild kenntlich werden. »Seit der Steinzeit bin ich das öffentliche (geliftete) Gesicht für Schönheitsoperationen«, schrieb sie 2009 in ihrem Buch »Men Are Stupid … and They Like Big Boobs«.

You’re fired

Vielsagend war dieser Titel auch, weil Rivers nie daran glaubte, die Männer oder gar die Gesellschaft ändern zu können; was blieb, war die Strenge gegen sich selbst. In den siebziger und achtziger Jahren kultivierte sie eine Art feministische Realpolitik, die andere Frauen genau wie sich selbst in die Verantwortung nahm und zu kompromisslosem Pragmatismus anhielt. Zugleich wurde sie mit den Jahren immer härter und sie begann, sich der feindseligen Kulturindustrie, in der sie lebte, anzuverwandeln. Ihr Spott gegen sich selbst und andere Frauen glich dabei einem Präventivschlag, einem Versuch, der Öffentlichkeit zu zeigen, wie sehr auch sie selbst unter den Vorgaben für Weiblichkeit zu leiden hatte, ganz so, als würden diese durch die Übertreibung erst sichtbar. Dass sie in einem späten Interview mit David Letterman einmal beiläufig sagte: »Ich lache, wenn ich innerlich weine«, mag mehr als eine Randbemerkung gewesen sein.

Denn zur Tragik ihrer Karriere gehört, dass Joan Rivers am eigenen Leib erfuhr, wie männliches Gönnertum in gnadenlosen Ausschluss umschlagen kann. 1986 sollte Rivers die erste Moderatorin einer Late-Night-Show werden, eines bis heute maßgeblich männlich dominierten Formats. Weil »The Late Show with Joan Rivers« zur gleichen Zeit wie die »Tonight Show« von Johnny Carson lief, der sie seit den Sechzigern gefördert und protegiert hatte, kam es zum Bruch mit dem einflussreichen Moderator. Carson veranlasste, dass Rivers nicht mehr in der »Tonight Show« auftreten durfte, eine Regelung, an die sich auch die beiden nächsten Moderatoren hielten und mit der erst Jimmy Fallon 2014 brach.

Rivers’ Show scheiterte nach nur wenigen Wochen; im Zuge eines Streits mit dem Fernsehsender nahm sich ihr Ehemann Edgar Rosenberg, der zugleich Produzent der Sendung war und abgesetzt werden sollte, das Leben. Rivers wurde gefeuert; sie entwickelte Depressionen und Bulimie. Zwar konnte sie mit ihrer Talkshow »The Joan Rivers Show« durchaus Erfolge feiern, aus dem Comedy-Geschäft zog sie sich allerdings für viele Jahre zurück. Stattdessen trat sie in Filmen und verschiedenen Fernsehformaten auf, unter anderem beim Shoppingkanal QVC.

Ihre Arbeit der späten Jahre konzentrierte sich vor allem auf ihr ­eigenes Leben, das sie auf Theaterbühnen und zunehmend auch wieder in Stand-up-Programmen zum Thema machte. Abschnitte von Rivers’ Leben wurden in der Fernsehserie »The Marvelous Mrs. Maisel« verarbeitet, auch wenn die Figur der ­Miriam »Midge« Maisel um einiges zahmer und weit weniger selbst­verachtend agiert.

Dass Rivers gemeinsam mit ihrer Tochter Melissa 2009, fünf Jahre vor ihrem Tod, an Donald Trumps Show »The Celebrity Apprentice« teilnahm, war nicht allein Ausdruck der Tatsache, dass Rivers gleichwohl die Öffentlichkeit liebte oder, wie sie immer wieder betonte, kein Enga­gement ausschlagen konnte, wenn sie weiter im Geschäft bleiben wollte. Mit Blick auf ihre Karriere und das Showbusiness war es auch konsequent. Trumps Show bildete als Entertainment ab, was die Kultur­industrie – und zwar mehr noch zu jener Zeit, als Rivers’ Laufbahn begann – sowieso vollzieht: die am Publikumsgeschmack und an der ­willkürlichen Gunst einiger weniger gatekeepers ausgerichtete Vermarktung von ewig fungiblen und jederzeit entbehrlichen Azubis. Dass sie die Sendung als Siegerin verließ, wird sie sicherlich als kleinen Erfolg verbucht haben.