Kuriose Sportarten

Keppihevonen, Kabaddi und Schachboxen

Humor ist kein Grundbestandteil des leistungsorientierten Sports. Aber immerhin gibt es etwas weniger bekannte Sportarten, die Spaß machen.

Über Stock und über Stein – Keppihevonen

Auf Steckenpferden zu reiten, ist ein Spiel für kleine Kinder, richtig? Falsch! Zumindest in Finnland gibt es inzwischen etwa 15 000 in Vereinen organisierte junge Menschen, meist zwischen zehn und 25 Jahren alt, die das Steckenpferdreiten zu einer regelrechten Sportart gemacht haben. Allerdings ist Keppihevonen, so die finnische Bezeichnung, bislang nicht offiziell als Sport anerkannt. Diejenigen, für die das Steckenpferd mehr ist als das, was es im übertragenen Sinn bedeutet, möchten das gerne ändern. Hunderte Enthusiastinnen (über 90 Prozent der Keppihevonen-Begeisterten sind Frauen) zogen 2016 durch Helsinki und forderten in Sprechchören: »Respektiert das Steckenpferd!«

Bei Keppihevonen-Turnieren müssen die Teilnehmerinnen einen Parcours aus Hürden absolvieren, mit Choreographien ihre Meisterschaft im Umgang mit dem Sportgerät demonstrieren, zudem wird die Originalität der Steckenpferde bewertet. Die Herstellung der Keppihevonen ist fast so wichtig wie das Reiten selbst und in ganz Finnland gibt es inzwischen spezialisierte Kunsthandwerker, die besonders aufwendige und schöne Steckenpferde herstellen.

In Internetforen tauschen sich die Keppihevonen-Enthusiastinnen und -Enthusiasten miteinander aus. Sie beschreiben oft, wie sich ein Gefühl von Freiheit einstelle, wenn sie mit dem Steckenpferd übten. Keppihe­vonen gilt auch als ein kleiner Akt der Rebellion gegen gesellschaftliche Normen des altersgemäßen Verhaltens. Zudem schwärmen viele Reiterinnen und Reiter vom positiven Effekt, den die Sportart auf die eigene Vorstellungskraft habe.

Einem Bericht von CNN aus dem Jahr 2017 zufolge verbreitete sich das Steckenpferdreiten auch international; auf Englisch wird es hobby hors­ing genannt. Falls jemand beim nächsten Urlaub in Finnland eine junge Frau sieht, die auf einem Steckenpferd durch die Gegend hüpft, gilt es also, sich Spott zu verkneifen und keine falschen Rückschlüsse auf die geistige Reife der Hobbyreiterin zu ziehen, denn: »Respektiert das Steckenpferd!«

Kabaddi – und raus bist du!

In Europa und den USA noch weitgehend unbekannt, hat sich in Vorder- und Mittelasien eine Mannschaftssportart entwickelt, die bereits im fünften Jahrhundert unserer Zeitrechnung im indischen Epos Mahabharata erwähnt wurde: Kabaddi, auch bekannt unter Namen wie Chedugudu, Ha-du-du oder Bhavatik. Am beliebtesten ist der Sport in Indien, einigen von dessen Nachbarstaaten sowie auf den Malediven. Man braucht für Kabaddi nicht mehr als 14 Spieler, die in Teams zu je sieben Personen gegeneinander antreten. Es ist kein Ball im Spiel und sogar das Spielfeld kann entweder klassisch rund oder oval sein, in jüngerer Zeit aber auch rechteckig.

Üblicherweise stehen sich zwei Mannschaften gegenüber und schicken jeweils einen »Raider« genannten Stürmer in die gegnerische Hälfte des Spielfelds. Dort muss er laut »Kabaddi« rufen, damit der Schiedsrichter weiß, dass ein Angriff stattfindet. Dann muss er versuchen, gegnerische Spieler mit der Hand oder dem Fuß zu berühren. Für jede Berührung erhält seine Mannschaft einen Punkt. Während des Angriffs muss der Raider den Atem anhalten. Will er mehrere Gegner »raiden«, braucht er oder sie also einen langen Atem. Die angegriffene Mannschaft wiederum versucht nicht nur, sich einer Berührung zu entziehen, sondern kann den gegnerischen Raider auch zu Boden ringen (»Tackling«). Schafft sie das, geht ein Punkt an sie.

Kabaddi ist sympathischerweise eine der wenigen Sportarten weltweit, die nicht immer strikt nach Geschlechtern getrennt ausgeübt wird. Es gibt zwar reine Männer- und Frauenteams, aber auch gemischtgeschlechtliche Aufgebote. In mehreren großen Veranstaltungen messen sich die besten Teams. Es gibt den Kabaddi World Cup, die Asian Games, die Asian Kabaddi Championship und seit 2019 auch die European Kabaddi Championship.

Schachboxen

So mancher hoffnungslos unterlegene Schachspieler dürfte schon einmal die Phantasie gehabt haben, einem hämisch grinsenden Sieger einfach mal eine aufs Maul zu geben. Das hatte vielleicht auch der fran­zösische Comiczeichner Enki Bilal im Sinne, der die surreal anmutende Kombination aus Boxen und Schach 1992 für eine Graphic Novel erfand. Der niederländische Aktionskünstler Iepe Rubingh griff die Idee auf, änderte aber die Regeln und stellte das Schachboxen im Jahr 2003 im Rahmen einer Kunstaktion der Weltöffentlichkeit vor.

In Bilals Comic fand ein vollständiger Boxkampf statt und erst danach mussten die Kontrahenten noch eine Partie Schach austragen. In Rubinghs Version dagegen wechseln sich Boxen und Schach ab. Auf eine dreiminütige Runde Boxen folgt eine dreiminütige Runde Schach. Verloren hat, wer durch K. o. oder Schachmatt ausscheidet oder in den Schachrunden nicht rechtzeitig zieht.

Viele schachspielende Boxer und körperlich halbwegs gut trainierte Schachspieler fanden die Idee so gut, dass aus der Kunstaktion überraschend schnell eine Sportart wachsender Beliebtheit wurde, die vom internationalen Schachverband Fide offiziell anerkannt ist. Ab 2005 wuchs die Zahl der Aktiven und der Fans kontinuierlich.

Mittlerweile ist Schachboxen ein global ausgeübter und vermarkteter Profisport. Er ist nichts für jeden dahergelaufenen Schachspieler. Schachboxer müssen beide Disziplinen auf hohem Niveau beherrschen und eine Reihe von Erfolgen vorweisen können, um überhaupt zu einem Turnier zugelassen zu werden. Das Publikum wiederum darf sich daran erfreuen, wie den Kontrahenten das strategische Denken nach jeder Runde Schlagabtausch immer schwerer fällt. Es sollte vielleicht nicht verwundern, dass der Sport besonders in Russland und Deutschland höchst beliebt ist.