Die chinesische Journalistin Zhang Zhan wurde zu vier Jahren Gefängnis verurteilt

Unerwünschte Reportagen

Porträt Von

Als die Empörung in der chinesischen Bevölkerung über die Geheimhaltungspolitik und die Folgen der Sars-CoV-2-Infektionen im Februar und März vergangenen Jahres besonders groß war, versagten die üblichen Kontrollmechanismen in den sozialen Medien. Eine wichtige Rolle bei der Verbreitung von der Staatsführung unerwünschten Informationen spielten ­citizen journalists wie Zhang Zhan. Sie reiste während des lockdown nach Wuhan und veröffentlichte Videoreportagen über Probleme in den Krankenhäusern, Korruption staatlicher Stellen und andere Dinge, die nicht zu dem vom Regime erwünschten Bild einer effizienten und heroischen Bekämpfung der Pandemie passten. Am 14. Mai verschwand Zhang Zhan, am Tag darauf gab die Polizei von Shanghai ihre Verhaftung bekannt. Im November beschuldigte die Staatsanwaltschaft sie, »Streit geschürt und Unruhe gestiftet« sowie in Interviews mit ausländischen Medien »böswillig« Falschinformationen verbreitet zu haben. Ende Dezember erging das Urteil: vier Jahre Gefängnis.

Die 37jährige ehemalige Anwältin schwebt in Lebensgefahr. Sie hatte 2019 etwa zwei Monate in Polizeihaft verbracht, weil sie Unterstützung für die Proteste in Hongkong bekundet hatte, und fand sich mit ihrer erneuten Inhaftierung nicht ab. Im Juni trat sie in den Hungerstreik. Ihr Anwalt Zhang Keke, der sie Anfang Dezember besuchte, berichtete, ihr Gesundheitszustand sei sehr schlecht, ihren Angaben zufolge werde sie zwangsernährt. Sein Antrag, den Prozess zu vertagen, wurde ­ab­gelehnt, Zhang Zhan wurde im Rollstuhl zu dem kurzen Gerichtstermin gebracht.

Das Urteil ist Teil der umfassenden Einschüchterungskampagne, mit der das Regime die Kontrolle wiedererlangt hat. Mehrere citizen journalists verschwanden, der Verbleib von Fang Bin ist noch immer ungeklärt. Andere leben, wie Chen Qiushi, nach kurzer Inhaftierung unter verschärfter Regierungsüberwachung. Repressa­lien trafen aber auch Bürgerinnen und Bürger in Wuhan, die Beschwerden einreichten oder Entschädigung forderten.