Small Talk mit Amarilis Tapia über die Kampagne »Legalisierung jetzt«

»Es stimmt nicht, dass nichts getan werden kann«

Die Berliner Kampagne »Legalisierung jetzt« fordert, Migranten ohne Aufenthaltsgenehmigung zu legalisieren, um ihnen unter anderem den Zugang zur Gesundheitsversorgung zu erleichtern. Offiziellen Schätzungen zufolge leben und arbeiten etwa 60 000 Menschen in der Hauptstadt ohne Papiere. Die Jungle World hat mit Amarilis Tapia von der Kampagne gesprochen.
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Welchen besonderen Härten sind illegal arbeitende Personen im derzeitigen Lockdown ausgesetzt?

Viele von uns haben ihre Jobs verloren und auch keinen Zugang zur Sozialhilfe. Das verschlimmert unsere bereits zuvor prekäre ­Situation, denn wir haben kein Geld mehr für die Grundversorgung, wie Wohnen, Essen, Kleidung und Gesundheit. Die ständige Sorge, wie man überleben soll, hat auch negative psychische Folgen. Zudem wird uns in dieser Ausnahmesituation der Covid-19-Pandemie das Recht auf medizinische Grundversorgung ­verweigert.

Was fordern Sie auf dem Gebiet der Gesundheitspolitik?

Wir fordern, dass sich Politik und Behörden dafür einsetzen, dass Illegalisierte Zugang zum Impfstoff haben und die Gesundheitsversorgung durch eine anonyme Krankenkassenkarte gewährleistet ist. Statt unsere Lage zu ignorieren, wäre die Legalisierung auch eine Präventionsmaßnahme, um Ansteckungen mit dem Virus zu verhindern.

Seit 2018 vermittelt die Clearingstelle der Berliner Senatsverwaltung Nichtversicherte in eine Krankenversicherung. Auch die Kosten für notwendige medizinische Behandlungen werden von der Stelle übernommen. Welche Erfahrungen haben Sie mit ihr gemacht?

Diese reicht absolut nicht aus, funktioniert sehr bürokratisch und verlangsamt den Zugang zur Gesundheitsversorgung. Für jede Behandlung muss man oft mehrmals dort hingehen.

Im Oktober hatte Ihre Kampagne einen offenen Brief an den Berliner Senat geschrieben. Hat der Senat darauf reagiert?

Auf unsere Forderung der Legalisierung gab es so gut wie keine Reaktionen. Es wurde uns zugetragen, dass die politisch Verantwortlichen ihre Verantwortung auf Landesebene bestreiten und sie an den Bund delegieren. Einige Lokalpolitiker haben zwar ihre Solidarität zum Ausdruck gebracht, aktiv unternommen haben sie aber nichts.

In der Tat argumentiert der Berliner Senat, dass viele Ihrer Forderungen Gesetze berührten, für die die Bundesregierung zuständig sei.

Es stimmt nicht, dass auf der Landesebene nichts getan werden kann. Wir sind überzeugt davon, dass es Möglichkeiten gibt, Menschen ohne Papiere in Berlin wegen ihrer dramatischen Situation zu legalisieren. Der Senat könnte zum Beispiel den Paragraph 23 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes anwenden, der es den Landesbehörden erlaubt, aus humanitären Gründen Aufenthaltserlaubnisse zu erteilen. Auch wenn das der Bundesinnenminister blockieren könnte, sollte die Berliner Regierung doch zumindest den Willen zeigen und sich für diese Möglichkeit einsetzen.

Planen Sie mit der Kampagne neue Aktionen?

Wir wollen uns am 24. Februar vor der Berliner Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie versammeln und dort für einen wirklichen Zugang zu Bildung für Kinder und Jugendliche ohne Aufenthaltsstatus fordern. Bildung ist ein universelles Menschenrecht und auch in Berlin gilt formal das Schulbesuchsrecht. Das gibt Kindern ein Recht auf Schulbesuch. Aber die Schulämter und Schulsekretariate halten sich oft nicht daran und setzen dieses Recht nicht um. Das macht es für die Eltern der Kinder schwer oder unmöglich, einen Schulplatz für ihr Kind zu bekommen.