Sahra Wagenknecht will ­erneut für den Bundestag kandidieren

Immer wieder Wagenknecht

Die nordrhein-westfälische Linkspartei streitet über den Spitzenplatz für Sahra Wagenknecht bei der kommenden Bundestagswahl.

Zwei verschiedene Meinungen über Sahra Wagenknecht sind in der Linkspartei verbreitet. Die einen glauben, die Politikerin sei beliebt und bekannt und sorge für Wählerstimmen. Ohne sie stünde man jedenfalls schlechter da. Die anderen werfen Wagenknecht vor, sich gegen Grundsätze der Partei zu stellen und dieser mit ihren Thesen über Migration und der Gründung der linkspopulistischen Sammlungsbewegung »Aufstehen« (Aufstehen für Pegida) geschadet zu haben. Als Wagenknecht im November 2019 aus gesundheitlichen Gründen vom Vorsitz der Bundestagsfraktion zurücktrat, zeigte sich die letztgenannte Gruppe erleichtert: Wagenknecht auf dem Rückzug und vielleicht bald nicht mehr im Bundestag? Ein gutes Zeichen für die Partei, die auch ohne Wagenknechts nationalistisch geprägte Thesen auskommen würde.

Aber zu früh gefreut: Schon seit Monaten sagt Wagenknecht, dass sie bei der im September anstehenden Bundestagswahl wieder antreten wolle. Erneut beansprucht sie einen Spitzenplatz auf der Liste des Landesverbands Nordrhein-Westfalen, was nicht wenigen missfällt. Auf einer Sitzung des Landesvorstands gab es im Januar eine geheime Abstimmung darüber, ob die Vorstandsmitglieder eine Spitzenkandidatur Wagenknechts unterstützen. Dieses »Stimmungsbild«, wie es eine Parteisprecherin nannte, fiel zwar zu Wagenknechts Gunsten aus: Von den Teilnehmern stimmten 15 für sie; es gab jedoch auch sechs Nein-Stimmen und zwei Enthaltungen.

Bereits vor der Abstimmung hatten einige vor mangelnder Geschlossenheit gewarnt. Gunhild Böth, eine ehemalige Landtagsabgeordnete und Landessprecherin der Partei, befürchtete eine neue Debatte über Wagenknechts Posi­tionen in der Landesvertreterversammlung im März, bei der Wagenknecht ­offiziell zur Spitzenkandidatin gewählt werden soll. »Was Wählerinnen und Wähler längst vergessen haben, kommt wieder hoch«, schrieb sie in einer ­E-Mail an den Landesvorstand. Nach der Landesvertreterversammlung würden die Medien wieder »von einem Streit in Nordrhein-Westfalen« berichten, der Landesverband sähe dabei schlecht aus. Die Personaldebatte beschädige auch Wagenknecht, da diese nicht mit einem guten Ergebnis rechnen könne.

Böths Fazit ist eindeutig: »Meiner Einschätzung nach kann der Landesverband NRW nur verlieren, wenn Sahra kandidiert – und sie auch.« Stattdessen empfahl die ehemalige Landessprecherin, dass Wagenknecht im Saarland antreten solle. Dort habe sie ihren ­Lebensmittelpunkt und es sei »doch einsichtig, dass sie dort kandidiert«.

In den sozialen Medien wie Facebook äußern sich Parteimitglieder derzeit vielfach über den möglichen Spitzenplatz auf der Wahlliste für die Politikerin, die Meinungen werden in aller Schärfe vorgetragen.
Eine Wahlumfrage für das WDR-Magazin »Westpol«, die am 31. Januar veröffentlicht wurde, befeuert die Debatte. Dieser Umfrage zufolge würde die Partei bei einer Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen mit drei Prozent zum dritten Mal hintereinander den Einzug ins Parlament verpassen. Die nächste Landtagswahl findet dort voraussichtlich im Frühjahr 2022 statt.

Das schlechte Umfrageergebnis beeinflusst auch andere Spitzenfunktionäre der Linkspartei in Nordrhein-West­falen. Der Landesvorsitzende Christian Leye, der auch Mitarbeiter in Wagenknechts Düsseldorfer Wahlkreisbüro ist, schrieb auf Facebook, er würde gerne auf dem sechsten Listenplatz in den Bundestag einziehen. Ein ehemaliges Mitglied des Landesvorstands, das ­anonym bleiben möchte, nannte im Gespräch mit der Jungle World Leyes Am­bitionen »eine Art Fahnenflucht«. Dieses Ausweichen nach Berlin sei auch ein Eingeständnis, dass Leye selbst nicht an einen Erfolg bei der Landtagswahl glaube. Wie gut die Chancen Leyes tatsächlich stehen, ist fraglich. Sein Gegenkandidat ist der ehemalige nordrhein-westfälische Landesgeschäftsführer ­Sascha Wagner.

Auch Wagenknecht dürfte nicht ohne Konkurrenz antreten. Vor wenigen Tagen kündigte Angela Bankert, derzeit Mitglied des Kölner Kreisvorstands, an, dass sie sich für den Spitzenplatz auf der Bundestagsliste in Nordrhein-Westfalen bewerben wolle. Bankert baut sich als Gegenkandidatin zu Wagenknecht auf und wird von der innerparteilichen Strömung »Antikapitalistische Linke« unterstützt. Als klimapolitisch engagierte Gewerkschafterin gibt sie sich antirassistisch und antinationalistisch, eine Regierungsbeteiligung im Rahmen einer rot-rot-grünen Koalition im Bund lehnt sie ab. Sie stehe »ohne Wenn und Aber für die Aufnahme von Geflüchteten«, solange der »Imperialismus« die Lebensgrundlagen der Menschen zerstöre und sie zur Migration zwinge. Das könnte, obwohl Bankert bisher wenig bekannt ist, gut ankommen. Schließlich wollen viele Mitglieder in Nordrhein-Westfalen ihre Partei als Teil von sozialen Bewegungen sehen – etwas, was Wagenknecht nun gerade nicht verkörpert.