Die Ölpest vor der israelischen Mittelmeerküste

Teerstreifen im Sand

Vor der israelischen Küste ist es zu einer Ölkatastrophe gekommen. Viele Israelis beteiligen sich an Strandreinigungen.

Nach knapp einem Jahr wird das öffentliche Leben in Israel allmählich wieder hochgefahren. Läden und Lokale öffnen, Menschen tummeln sich wieder auf den Märkten in Tel Aviv und Jerusalem. Die Zahl der Infektionen mit Sars-CoV-2 sinkt und die Bevölkerung wird fleißig geimpft.

Doch seit vorverganener Woche sind die Strände trotz sommerlichen Wetters menschenleer, ein ungewohntes Bild in Israel. Wo gewöhnlich Surfer die guten Wellen nutzen und Familien an sonnigen Samstagen picknicken, findet man Warnschilder. Das Land erlebt eine schlimme Umweltkatastrophe: Gewaltige Mengen an Teer breiteten sich an der israelischen Mittelmeerküste aus. Von den Stränden in Haifa im Norden des Landes bis nach ­Ashkelon in der Nähe des Gaza-Streifens im Süden kann man schwarze Teerstreifen sehen.

»Wir können uns Schutzhandschuhe anziehen, um nicht mit Teer in Kontakt zu kommen. Meeresschild­kröten können das nicht.« Amanda, Plastic Free Israel

Die israelische Regierung hat die Strände für Freizeitpublikum geschlossen. Sie hofft, sie im Mai zum Beginn der Badesaison wieder öffnen zu können. Die Israel Nature and Parks Authority (INPA), die für Verwaltung der israelischen Naturschutzgebiete und Nationalparks zuständig ist, erwartet, dass die vollständige Reinigung der Strände mehrere Jahre dauern wird.

Am 17. Februar kam es in Israel zu heftigen Stürmen. An einem Strand im Süden des Landes wurde am 18. Februar ein 17 Meter langer Finnwal tot aufgefunden – der Times of Israel zufolge »das erste Anzeichen dafür, dass etwas vor der israelischen Küste nicht stimmte«. Der Wal kam vermutlich durch die Ölpest zu Tode. Über die vergangenen Wochen hinweg landeten große Mengen an Teer an den Stränden. Ohne die Stürme wären vermutlich große Teile des Öls im Meer geblieben, sagte Colin Price, Professor für Geophysik an der Tel Aviv University, der Jerusalem Post.

Das israelische Umweltschutzministerium teilte am Sonntag mit, es habe mittlerweile Dutzende Schiffe identifiziert, die für die Ölpest verantwortlich sein könnten. Vorvergangene Woche hatte es angegeben, Satellitenbilder vom 11. Februar zeigten einen rund 50 Kilometer von der israelischen Küste entfernten mutmaßlichen Ölteppich. Man verdächtige zehn Schiffe, für diesen verantwortlich zu sein. Am Montag teilte es mit, man habe inzwischen 35 Schiffe überprüft. Zwölf davon habe man als Urheber der Katastrophe ausschließen können.

Mediterranean People, ein Zusammenschluss der größten israelischen Meeresschutzorganisationen, versucht, Israelis auf die Verschmutzung des Mittelmeers aufmerksam zu machen. Derzeit sind Mitglieder der NGO sowie der Umweltschutzorganisation Plastic Free Israel an Stränden unterwegs, um die Küste und die Lebewesen dort von Teer zu befreien.

Michael Raphael, der Direktor von Mediterranean People, sagt im Gespräch mit der Jungle World, Teer töte mehr oder weniger alle Meereslebewesen und sei vor allem schwer von den Steinen an der Küste zu entfernen. Der Schaden sei bereits angerichtet und könne nicht rückgängig gemacht, verendete Meereslebewesen könnten nicht wieder zum Leben erweckt werden. Er hoffe lediglich, dass die Biodiversität in Israel durch die Ölpest nicht langfristig verringert werde. Raphael zufolge werden Freiwillige mehrere Jahre brauchen, um den Teer zu beseitigen, der sich auf Felsen abgelagert hat. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass er vollkommen beseitigt werden kann und keine weiteren Schäden entstehen.

»Was passiert ist, ist katastrophal. Anders lässt es sich nicht beschreiben«, sagt Amanda, eine Freiwillige von Plastic Free Israel, der Jungle World. Amanda und Ariel, eine andere Freiwillige von Plastic Free Israel, organisieren seit rund drei Jahren einmal im Monat eine Strandreinigung, um Strände von angespültem Plastikmüll zu befreien und auf deren Verschmutzung aufmerksam zu machen. Sie erzählen, dass sie manchmal Plastik aus den sechziger Jahren fänden.

Anhand von Etiketten könne dies mit etwas Recherchearbeit festgestellt werden. Zudem fänden sie regelmäßig Müll aus unterschiedlichen Ländern an der israelischen Küste. Doch die Ölmengen, auf die sie und andere Helfer in den vergangenen Wochen stießen, sind mit all dem nicht vergleichbar. »Wir können uns Schutzhandschuhe anziehen, um nicht mit dem Teer in Kontakt zu kommen. Meeresschildkröten und andere Lebewesen können das nicht«, klagt Amanda.

Ein wichtiger Grund für das Ausmaß des Desasters ist, dass es offenbar lange Zeit dauerte, bis das Öl an den Stränden und im Meer bemerkt wurde. Amanda erzählt, Bilder von schwarzen Ölstreifen seien von Hundebesitzern und Spaziergängerinnen in sozialen Medien hochgeladen worden. Das habe es Umweltschutzorganisationen erst ermöglicht, auf die Katastrophe zu reagieren.

Bereits kurz nach Bekanntwerden der Ölpest versammelten sich Tausende Menschen an verschiedenen Stränden des Landes, um den Teer zu beseitigen. Umweltschutzorganisationen veranstalten täglich Strandreinigungen wie die, an denen sich Amanda und Ariel beteiligen.

Die Gründerin von Plastic Free Israel, Stav Friedman, initiierte vor rund drei Jahren mit einem Beitrag in sozia­len Medien, in dem sie aufrief, Plastik vom Strand aufzusammeln, die erste Strandreinigung durch Freiwillige. Es ­erschienen einige Menschen, mit der Zeit wuchs das Interesse und mit ihm Plastic Free Israel. Alle Beteiligten arbeiten freiwillig. Derzeit organisieren sie häufiger Veranstaltungen. Trotz der kurzfristigen Ankündigungen kommen derzeit Tausende Menschen, um mitzuhelfen.

Am vorvergangenen Wochenende mussten einige Freiwillige in Krankenhäuser eingeliefert werden; Raphael zufolge hatten sie giftige Dämpfe eingeatmet. Die INPA forderte Freiwillige daraufhin auf, sich registrieren zu lassen und Schutzkleidung zu tragen. Bei den Strandreinigungen von Organisationen wie Mediterranean People ­werden Schutzmasken und -handschuhe ausgegeben, um die Gesundheit der Teilnehmenden nicht zu gefährden. Menschen mit erhöhtem Gesundheitsrisiko und Kinder sind von den Veranstaltungen ausgeschlossen.

Mediterranean People schult Freiwillige darin, wie der Strand und die Felsen richtig von Teer gereinigt werden können. Amanda sagt, nicht alle Küstenabschnitte seien direkt zugänglich. Sie habe an einer Strandreinigung teilgenommen, bei der sie und die anderen Teilnehmenden erst weit laufen mussten, bis sie an den Strand gelangten.

Größtenteils übernimmt der Zusammenschluss Mediterrenean People die Strandreinigungen an den Küstenabschnitten, die kaum zugänglich sind. An ihnen nehmen täglich etwa 500 Menschen teil. Die Kosten für die Organisation und das Schutzmaterial sind um einiges höher als bei gewöhnlichen Strandreinigungen, was, wie Raphael sagt, auch an der hohen Teilnehmerzahl liege. Mediterranean People erhalte Fördermittel von der israelischen Regierung, um die Reinigungsaktionen finanzieren zu können. Auf die Auszahlung habe die NGO über eine Woche warten müssen, wodurch die freiwilligen Strandreinigungen verzögert worden seien.