Eigenheimförderung wirkt kontraproduktiv

Heim und Scholle

Die Förderung von Wohneigentum hat in Deutschland Tradition. Zur Lösung der Wohnungsfrage trägt sie kaum bei.

»Einparteienhäuser verbrauchen viel Fläche, viele Baustoffe, viel Energie, sie sorgen für Zersiedelung und damit auch für noch mehr Verkehr.« Mit diesem Satz aus einem Spiegel-Interview sorgte Anton Hofreiter Mitte Februar für Aufsehen. Dabei sprach der Bundestagsfraktionsvorsitzende der Grünen lediglich eine banale Wahrheit aus.

Diese wollen viele offenbar nicht hören. Der thüringische CDU-Landesvorsitzende und Bundestagsabgeordnete Christian Hirte sagte der Bild-Zeitung: »Von Privateigentum und den Träumen von Millionen von Familien hat die ­politische Linke noch nie etwas gehalten. Weiter geht es Richtung grüne Verbotspartei mit dem Einfamilienhaus als Feindbild.« Ausgerechnet Jan Korte, der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der Bundestagsfraktion der Linkspartei, kritisierte Hofreiters Äußerungen ebenfalls. In einem Gastbeitrag für das Neue Deutschland schrieb er: »Die Absage oder Einschränkung an den Bau von Eigenheimen offenbart ein ganz grundsätzliches Problem der gesellschaftlichen Linken und auch der Partei ›Die Linke‹. Es zeigt eine Entkoppelung von den kleinen Träumen vieler Menschen, die man zur unteren oder mittleren Mittelschicht zählen könnte.«

Menschen mit geringem oder mittlerem Einkommen können sich in vielen Städten wegen deutlich gestiegener Bodenwerte und Immobilienpreise kaum ein Eigenheim leisten.

Hofreiter hatte in dem Interview indes kein generelles Verbot des Eigenheimbaus, sondern lediglich ein stärkeres kommunales Eingriffsrecht gefordert, um den Neubau von Einfamilienhäusern je nach Wohnbedarf und der Menge verfügbarer Flächen stärker begrenzen zu können. Die große Resonanz auf seine Äußerungen ergibt sich aus der weithin vorherrschenden Eigentumsideologie, die der deutsche Staat jahrzehntelang gefördert hat.

Dem EU-Statistikamt Eurostat zufolge hat Deutschland allerdings die zweitniedrigste Wohneigentumsquote in Europa. Nur etwas mehr als die Hälfte der Haushalte verfügt demnach über Wohneigentum, eine geringere Quote gibt es in Europa nur in der Schweiz. In Frankreich beträgt sie rund 65 Prozent, in Spanien etwa 76.
Dabei hatte sich die Bundesrepublik unter Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) mit dem Zweiten Wohnungsbaugesetz 1956 der Wohneigentumsbildung für breite Schichten der Bevölkerung verschrieben. Die Förderung von »Familienheimen« sollte »die Entfaltung eines gesunden Familienlebens, namentlich für kinderreiche Familien, gewährleisten« und »weite Kreise des Volkes (…) mit dem Grund und Boden verbinden«, wie es in dem Gesetz hieß.

Die sozialliberale Koalition unter Bundeskanzler Willy Brandt (SPD) setzte die Bevorzugung von Eigentum in der staatlichen Wohnungspolitik fort. Das begründete sie nicht mit konservativen familien- und gesellschaftspolitischen Vorstellungen, sondern mit vermeintlichen »Sickerungseffekten« gemäß der liberalen Trickle-down-Theorie. Demnach profitieren auch Menschen mit geringem Einkommen von einer Eigenheimförderung, da diese dazu führe, dass schlechter gestellte Mieter in die Wohnungen derer ziehen können, die aus ihrer Mietwohnung in ein Eigenheim ziehen.

Ob diese in neoliberalen Kreisen weiterhin sehr beliebte Theorie zutrifft, ist jedoch fraglich. Auf angespannten Wohnungsmärkten sind die Sickerungseffekte gering, wie aus einer kürzlich veröffentlichten Studie des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung über Umzugsmobilität hervorgeht. In der Boomphase der fünfziger und sechziger Jahre, als staatlich gefördertes Bausparen, steigende Realeinkommen und ein stabiler Arbeitsmarkt die Wohneigentumsbildung ­begünstigten, hatten tatsächlich noch größere Teile der Bevölkerung von der Eigenheimförderung profitiert. Seit dem Ende des sogenannten Wirtschaftswunders in den siebziger Jahren ist das nicht mehr der Fall.

1995 erreichte die Eigenheimförderung mit der Einführung der Eigenheimzulage ihren Höhepunkt. Bis sie 2006, in der Hochphase des neoliberalen Rückzugs des Staats aus der aktiven Wohnungspolitik, abgeschafft wurde, gehörte sie zu den größten Subventionen in Deutschland. 2018 wurde unter Bundesinnen-, Bau- und Heimatminister Horst Seehofer (CSU) ein Baukindergeld eingeführt. Dieses unterstützt Familien mit mindestens einem im Haushalt lebenden Kind unter 18 Jahren und einem Haushaltseinkommen von maximal 90 000 Euro pro Jahr beim erstmaligen Erwerb von Wohneigentum.

Trotz dieser Förderung können Menschen mit ­geringem oder mittlerem Einkommen sich in vielen Städten wegen deutlich gestiegener Boden- und Immobilienpreise kaum ein Eigenheim leisten. Dem Wohnungsmarktbericht 2019 der Investitionsbank Berlin zufolge kostete eine Eigentumswohnung in Berlin 2019 im Schnitt über 4 600 Euro pro Quadratmeter.

Das Baukindergeld fördert auch die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen, wodurch dringend benötigte Mietwohnungen vom Markt verschwinden. Einer im Juni vorigen Jahres veröffentlichten Antwort des Bundes­innenministeriums auf eine Kleine Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion zufolge wurde das Baukindergeld seit seiner Einführung in 60 Prozent der Fälle für den Erwerb von Bestands­immobilien statt für den Neubau beantragt.

Eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung hat festgestellt, dass selbstgenutztes Wohneigentum in der oberen Mittelschicht den größten Vermögenswert bildet. Im Gegensatz zur ärmeren Hälfte der Be­völkerung, die in der Regel zur Miete wohnt, profitieren die Hausbesitzer aus der oberen Mittelschicht vom Immobilienboom in den deutschen Metropolregionen. Die Vermögensbildung durch Wohneigentum birgt allerdings auch finanzielle Risiken: Seit den achtziger Jahren wächst die Privatverschuldung, zu einem Großteil aufgrund der Kreditaufnahme für den Erwerb von Wohneigentum.

Warum aber ist das Eigenheim trotz finanzieller Risiken und seiner Unerreichbarkeit für breite Schichten nach wie vor eine bei vielen beliebte Wohnform in Deutschland? Korte schreibt im Neuen Deutschland, der Bau eines kleinen Hauses sei »Chiffre für das kleine Glück, auf das man viele Jahre hinspart und vor allem hinarbeitet. Es ist auch Ausdruck der Verheerungen des Neoliberalismus, des Ellenbogens und der Vereinzelung vieler Menschen: Das Eigenheim symbolisiert Sicherheit, Geborgenheit und das alte Sozialstaatsversprechen ›Meinem Kind wird es einmal besser gehen‹.«

Die Fixierung aufs Wohneigentum enthält hierzulande auch völkische Ideologiefragmente, denen zufolge der Besitz des Bodens dem vermeintlich natürlichen Trieb zur Bindung an Heim und Scholle entspricht. In der konservativen Vorstellungswelt gilt das Eigenheim als geeignetste Wohnform für die bürgerliche Kleinfamilie: Individuum, Familie, Haus und Heimat verschmelzen im eigenen Heim.

Für Arbeiterinnen und Arbeiter kann das Eigenheim den gesellschaftlichen Aufstieg ins Kleinbürgertum symbolisieren. »Der Status des Eigentümers ist nicht nur Ausweis, sondern auch Folge der Integration in die bürgerliche Gesellschaft, denn Eigentümer zu werden, erfordert Sparsamkeit, Selbstdisziplin und Eigenverantwortung, die Bürgertugenden einer planvollen Lebensgestaltung«, schreiben die ­Soziologen Hartmut Häußermann und Walter Siebel in ihrem 1996 veröffentlichten Buch »Soziologie des Wohnens«.

Vielen Angehörigen der Mittelschicht gilt das Eigenheim als Ort der Selbstverwirklichung und als individueller Freiheitsgewinn gegenüber den Un­zulänglichkeiten der Mietwohnung. In dieser Vorstellung wächst der Grad der Selbstbestimmung mit den zur Verfügung stehenden Finanzmitteln. Eine individuelle Gestaltung des eigenen Heims durch einen Architekten ist in der Regel jedoch der oberen Mittelschicht vorbehalten. Die Gestaltungsmöglichkeiten beim Bau der weitverbreiteten Fertighäuser sind relativ gering.

Korte behauptet, eine erfolgreiche Linke müsse eine Sprache sprechen, die auch jene verstünden, »deren Traum aktuell gerade nicht der demokratische Sozialismus, sondern der Bau und die Finanzierung eines Hauses ist«. Damit scheint er eine Feststellung des Sozialwissenschaftlers Sebastian Kohl zu bestätigen. In dem 2017 in der vom Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung herausgegebenen Zeitschrift Gesellschaftsforschung veröffentlichten Artikel »Eine kleine Geschichte der Eigenheimidee« schreibt Kohl, »in ­einer einmal erreichten Hauseigentümerdemokratie« sei es »schwierig, dem tendenziell konservativen Votum der Eigenheimler politisch zu entkommen«.

Der Gemeindebau im »Roten Wien«, das von 1919 bis 1934 von der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Deutschösterreichs regiert wurde, und der gemeinwirtschaftliche Wohnungsbau der Weimarer Republik zeigen, wie eine bessere Wohnungspolitik aussehen könnte. Statt konservative Vorstellungen aufzugreifen, setzten linke Parteien ­damals einen sozialen Mietwohnungsbau von hoher architektonischer ­Qualität durch und gaben damit eine Antwort auf die Wohnungsfrage, wie sie auch heutzutage notwendig wäre.