Small Talk mit Markus Hauk, Pressesprecher der Kampagne »Wir sind alle Linx«, über die lange Untersuchungshaft für Lina E.

»Medienwirksam aufgeblasen«

Im vergangenen November wurde die Leipzigerin Lina E. festgenommen. Der Bundesanwaltschaft zufolge steht sie unter dem dringenden Tatverdacht, unter anderem Mitglied einer kriminellen ­Vereinigung zu sein und Angriffe auf Nazis organisiert zu haben. Seit fast einem halben Jahr befindet sie sich in Untersuchungshaft. In Leipzig wurde die Solidaritätskampagne »Wir sind alle Linx« ins Leben ge­rufen. Dutzende Gruppen, Läden und Einzelpersonen kri­tisieren die Kriminalisierung von Antifaschismus. Die Jungle World hat mit Markus Hauk, dem Pressesprecher der Kampagne, gesprochen.
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Warum fordern Sie die Freilassung von Lina E.?
Die im November 2019 gegründete sächsische »Soko Linx« hat ein starkes Interesse daran, endlich Erfolge zu liefern. Aus einer poli­tischen Motivation heraus hat sie das Verfahren medienwirksam aufgeblasen. Dass der Fall wegen einer angeblichen »Schwelle zum Terrorismus« bei der Bundesanwaltschaft liegt, ist Ausdruck des hohen Erfolgsdrucks der hiesigen Polizei. Im Übrigen halten wir ein konsequentes Vorgehen gegen Faschisten keineswegs für »Terrorismus«, sondern angesichts der gesellschaftlichen Zustände für bitter notwendig.

Sicherheitsbehörden und konservative Medien warnen vor ­einem neuen »Linksterrorismus« in Deutschland. Sind diese Sorgen berechtigt?
Praktisch jede Woche werden rechte Umtriebe bei Polizei und Militär bekannt – zuletzt bei einer sächsischen Sondereinheit, die vielleicht auch Lina observiert hat. Behörden sehen im Kampf gegen rechten Terrorismus nicht einfach nur weg; sie bauen entsprechende Netzwerke direkt oder indirekt mit auf. Was uns bleibt, ist der antifaschistische Selbstschutz, der sich in Form und Inten­sität den gesellschaftlichen Erfordernissen anpasst und deshalb mitunter militant sein kann. Dass Antifaschismus kriminalisiert wird, steht in einer langen Tradition rechter Propaganda durch Polizei, Verfassungsschutz und Teile der Medien.

Ende März brachte eine Twitter-Kampagne dem Fall bundesweite Aufmerksamkeit. Woran liegt es, dass sich dabei auch viele Bürgerliche mit einer angeblichen Linksextremistin solidarisierten?
Viele Leute nehmen faschistische Tendenzen als wachsende Bedrohung wahr. Selbst wenn man es nicht befürwortet, so dagegen vorzugehen, wie es Lina vorgeworfen wird, ist es für viele doch nachvollziehbar. Umso unverständlicher wirken die drastischen Maßnahmen gegen sie. Praktischer Antifaschismus ist nicht das Problem, sondern ein Teil der Lösung.

Inwiefern spielt Sexismus bei den Ermittlungen und in der ­Berichterstattung eine Rolle?
Viele Medien haben zunächst das Aussehen von Lina kommentiert und wie harmlos sie doch wirke. Dass eine junge Frau mit Gewalt in Verbindung stehen soll, schien vielen Autoren und Autorinnen ein Widerspruch. Deswegen wurde ihr abwechselnd entweder eine herausragende Position oder besonders heimtückisches Vorgehen unterstellt. »Eine Frau unter Vermummten« titelte beispielsweise die Zeit. Später hieß es, ihr Lebenspartner habe sie vom rechten Weg abgebracht. Das ist entmündigend. Dass Lina eine zentrale Position zugeschrieben wird, hat natürlich dazu beigetragen, die Untersuchungshaft öffentlich zu legitimieren. Es spiegelt aber auch die Logik der Ermittlerinnen und Ermittler wider, die Lina alle antifaschistischen Straftaten im Umkreis von 200 Kilometern zur Last legen, bei denen eine Frau gemeldet wurde. Die eine Frau unter Vermummten eben.

Wie geht es in den kommenden Wochen und Monaten weiter?
Zusammen mit der Kampagne »Entnazifizierung jetzt« planen wir am 8. Mai eine Kundgebung in Leipzig. Wir wollen wieder auf rechten Strukturen in den Sicherheitsbehörden aufmerksam machen. Es soll aber auch um den strukturellen Rassismus in den Behörden gehen. Im Sommer wollen wir eine Demonstration mit bundesweiter Mobilisierung veranstalten.