Demokratien erodieren, autokratische Tendenzen mehren sich

Wie Demokratien erodieren

Zum Ende des 20. Jahrhunderts schien die Demokratisierung global um sich zu greifen. Doch der Trend hat sich umgekehrt. Seit nunmehr etwa 20 Jahren sind in immer mehr Staaten autoritäre Tendenzen zu beobachten, die sich langsam, aber sicher durchsetzen. Sie machen jede politische Opposition zu einem Hürdenlauf.
Essay Von

In seinem ebenso bekannten wie vielkritisierten Essay »The End of History?« stellte der Politikwissenschaftler Francis Fukuyama 1989 die These auf, dass sich nach dem Zusammenbruch der UdSSR die Prinzipien des Liberalismus in Form von Demokratie und Marktwirtschaft durchgesetzt hätten; die politisch-gesellschaftliche Entwicklung der Menschheit sei damit an ihrem Endpunkt angelangt. Faktisch war zu dieser Zeit weltweit ein Trend zur Demokratisierung zu beobachten.

Doch Fukuyamas These bewahrheitete sich nicht. Im Jahr 2020 war der globale Stand der Demokratie, berechnet anhand des Anteils der Weltbevölkerung, der in demokratischen Staaten lebt, wieder ungefähr auf dem Niveau der Zeit angekommen, in der der Essay verfasst wurde.

Autokratisierungsprozesse werden häufig von gewählten Regierungen hinter einer legalen Fassade vorangetrieben. Heutzutage erodieren Demokratien eher, als dass sie zerbrechen.

Beruhend auf einer These von ­Samuel Huntington aus dem Jahr 1991 folgen – bezogen auf einen Forschungszeitraum seit 1900 – in der globalen gesellschaftlichen Entwicklung wellenartig auf Demokratisierungsschübe ­jeweils Autokratisierungsschübe. Auf die sogenannte dritte Welle der De­mokratisierung, die 1974 in Portugal mit der Nelkenrevolution anhob und mit dem Zusammenbruch der sozialis­tischen Länder Osteuropas und der früheren Sowjetunion 1989 abebbte und in den neunziger Jahren auslief, begann mit den Entwicklungen in Südosteuropa ab 1994 eine bis heute andauernde dritte Welle der Auto­kratisierung.

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