Danger Dan im Gespräch über Fernseh­studios, die Polizei und das Klavierspielen 

»Niemand will, dass ich zu Igor Levit mutiere«

Danger Dan, Rapper und Mitglied der Antilopen Gang, mit bürgerlichem Namen Daniel Pongratz, hat auf seinem neuen Soloalbum »Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt« das Klavier für sich entdeckt. Mit der »Jungle World« sprach er über seinen Auftritt bei Jan Böhmermann, seine Kritik an der Polizei und Liedermacher, die ihn inspiriert haben.
Interview Von

Dein neuer Song »Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt« hat ganz schön Wellen geschlagen. In Jan Böhmermanns Sendung »ZDF Magazin Royale« hast du das Lied zusammen mit dem Pianisten Igor Levit gespielt. Anschließend gab es noch ein Gespräch mit den beiden über Kunstfreiheit. Da kam es mir so vor, als hättest du dich nicht ganz wohl gefühlt.
Das Gespräch wurde gut zusammengeschnitten. Und sowohl da als auch bei dem Auftritt war ich supernervös. Das ist nichts für mich.

Was meinst du damit?
Na ja, ich bin nicht so ein Medienprofi. Ich war ganz selten in Fernsehstudios, und das hat mir eigentlich nie Spaß gemacht. Ich war sehr aufgeregt. Aber die waren alle sehr lieb zu mir. Ich habe mich mit Igor Levit und Jan Böhmermann super verstanden. Wir waren danach noch essen an einer Dönerbude, und ich fand das eigentlich ganz schön. Aber so was weiß man ja vorher nicht. Die Blamagegefahr ist riesengroß bei solchen Sachen.

»Es ist auf jeden Fall schwer auszuhalten, so viel Harmonie und Zärtlichkeit. Aber ich fand es auch geil, diese Herausforderung anzunehmen und durchzuziehen. Am Ende des Albums haue ich auch nochmal alles kaputt.«

Dafür, dass du sagst, du seist nicht so ein Medienprofi, hast du dir mit dem Song aber ein ganz schönes Ei gelegt. Du nennst in ihm Jürgen Elsässer einen Antisemiten und dergleichen mehr – jetzt musst du wahrscheinlich überall aufpassen, was du sagst. Das ist ja eigentlich eher was für Medienprofis.
Wohl wahr. Ich habe mich ja in der Vergangenheit auch hier und da mal in die Scheiße geredet, und jetzt muss ich natürlich ganz besonders aufpassen, weil es tatsächlich heikel werden könnte. Es ist ja das eine, so etwas zu singen, und das andere, es in einem Interview zu sagen – Interviews sind nicht von der Kunstfreiheit gedeckt.

Du singst: »Und wenn du friedlich gegen die Gewalt nicht ankommen kannst, ist das letzte Mittel, das uns allen bleibt, Militanz.« Jan Böhmermann störte sich ja ein wenig daran. Müsste er nicht wissen, dass man mit Friedfertigkeit nicht immer weit kommt?
Das weiß Jan Böhmermann auch gut, er hatte auch seinen Ärger mit Faschisten, auch türkischen Faschisten. Ich glaube, er hat das auch eher so als Entertainer etwas ironisch gesagt. Aber eigentlich, glaube ich, sind wir uns ziemlich einig, was diese Zeile betrifft.

Es gibt ein älteres Interview mit dir im Neuen Deutschland, damals zusammen mit der Antilopen Gang, da redet ihr über Blockupy. Dort sagst du, dass du angesichts von manchem »Unsinn«, den Demonstranten da sagen, ganz froh seist, dass es so etwas wie die ­Polizei gibt, die diese Leute »im Zaum halten« könne. Hast du diesen typischen linken Konflikt zwischen Militanz und Rechtsstaatlichkeit für dich irgendwie lösen können? 
Nee, das habe ich nicht und das werde ich auch nicht. Man hat gerade in den vergangenen Jahren noch einmal gesehen, wie stark die Verstrickungen zwischen der Polizei und militanten Neonazistrukturen sind. Man sieht das an der Hannibal-Geschichte, an verlorengegangener Munition beim SEK, am NSU 2.0, an von Polizeicomputern abgefragten Daten von Nazigegnern. Und es gibt immer wieder Beispiele bis hin zum NSU, wo Sicherheitsdienste sogar am Aufbau von Terrororganisationen beteiligt waren und vielleicht nicht der gesamte Verfassungsschutz, aber auf jeden Fall einzelne Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durchgehend wussten, dass es das gibt und dass das passiert und dass das toleriert und gedeckt wird. Da gibt es überhaupt keinen Grund, zu vertrauen.

Aber dann will man es sich derzeit eben auch nicht ohne Polizei vorstellen.
Ich war zum Beispiel mal in Ägypten, kurz nach dem »Arabischen Frühling«, während der Übergangsregierung. Da gab es Straßensperren, Checkpoints und keine Polizei, sondern Militär. Eine wirkliche Rechtsstaatlichkeit hat es da nicht gegeben. Da wieder abzureisen und in Brüssel am Flughafen anzukommen und zu sehen: Hier funktioniert das jetzt wieder anders – das war ein gutes Gefühl. Das Problem ist: Meine persönlichen Erfahrungen mit der Polizei sind nie gut gewesen. Und wenn du von Rassismus betroffen bist in Deutschland, ist das noch einmal ein ganz anderer Schnack.

Hast du das Video von diesem Typen gesehen – augenscheinlich ein Polizist –, der unfreiwillig komisch auf deinen Song reagiert und zu der Melodie einen rührseligen Text singt, in dem er dich für deine Zeilen über die Polizei kritisiert? Ich bin mir nicht sicher, ob das ein Fake ist oder nicht.
Ich habe es auch gesehen und ich glaube, das ist kein Fake. Es kann sein, dass sich einige Polizistinnen und Polizisten auf den Schlips getreten fühlen. Und es kann auch sein, dass es unter ihnen Einzelpersonen gibt, die innerhalb der Polizei versuchen, gegen diese Probleme zu kämpfen. Aber selbst dann wäre diese Person sicher meiner Meinung. Auch als Polizist kann einem nicht entgehen, dass die Polizei ein riesengroßes strukturelles Problem hat.

Lass uns über die Musik reden. Seit wann spielst du Klavier?
Wer auf Konzerten der Antilopen Gang war, weiß, dass ich manchmal Klavier spiele und dazu singe. Ich spiele schon fast mein ganzes Leben lang, ich habe mit sechs Jahren angefangen. Allerdings fand ich Klaviermusik früher immer scheiße, spätestens seit der Pubertät. Das Klavier steht irgendwie für so Öko-Mittelstand. Auch Musik, in der nur ein Klavier vorkommt, fand ich scheiße. Ich fand Rap geil oder Punk, und so hab ich das dann erst einmal an den Nagel gehängt. Ich führe mit dem Instrument so eine On-off-Beziehung. Mittlerweile mag ich Klaviermusik auch, aber das Hauptproblem damit ist, dass Klavierspielen sauschwer ist und man voll viel üben muss.

Bei Igor Levit hat man gut gesehen, welchen Unterschied es macht, wenn eine vergleichsweise einfache Melodie von einem professionellen Musiker gespielt wird.
Ich fand es richtig geil, wie er das macht. Aber ich glaube, so gut wie Levit werde ich das nie können. Wer sich das bei einem meiner Konzerte live anhören will, muss wissen, dass er zu einem Autodidakten und Dilettanten kommt. Und ich bin auch nicht der beste Sänger. Aber das Gute ist, ich kann mit Charme vieles wettmachen. Danger Dan ist immer noch der Aschenbecherjunge, und ich glaube, niemand will, dass ich zu Igor Levit mutiere.

Wovon hast du dich für dein neues Album inspirieren lassen? Ich musste beim Hören ab und zu ein bisschen an Franz Josef Degenhardt denken.
Liedermacher habe ich dafür gar nicht so sehr rausgekramt, mit einer Ausnahme: Georg Kreisler. Da habe ich versucht, die Phrasierungen zu imitieren. Aber ich kenne die Liedermachermusik natürlich aus meiner Kindheit. Ich bin mit Degenhardt, Kreisler und auch Bernie Conrads von Bernies Autobahn Band groß geworden.

Hat man nicht sofort wieder Lust auf Krach, wenn man die ganze Zeit diese ruhigen Arrangements spielt?
Es ist auf jeden Fall schwer auszuhalten, so viel Harmonie und Zärtlichkeit. Aber ich fand es auch geil, diese Herausforderung anzunehmen und durchzuziehen. Am Ende des Albums haue ich auch nochmal alles kaputt, das habe ich mir nicht nehmen lassen.

Gab es denn schon Reaktionen von Fans, die das nicht so gut fanden?
Ganz wenige. Ich dachte, da springen jetzt ein paar ab, weil es Klaviermusik ist, und es kommen ein paar dazu. Und ich glaube, es gibt so ein paar hängengebliebene, Rucksack tragende Rap-Fans, die haben im Internet geschrieben: »Und was ist jetzt mit Rapmusik?« Aber die meisten finden es total super.

Zeichnet sich schon etwas im Hinblick auf Live-Auftritte ab oder wird das wegen der Pandemie gar nicht erst geplant?
Ich muss damit planen, weil ich mir sonst einen anderen Job suchen muss, und da habe ich wenig Bock drauf. Aber wir müssen nächstes Jahr wieder spielen, sonst sind wir halt bankrott.

Ich nehme an, du musst schauen, wie du das Klavier abbezahlst.
Ich muss schauen, wie ich überhaupt eines bezahle, ich hab ja gar keins.

Ach, ist das im Video ein Studioklavier?
Ja, und es ist kaputt. Das habe ich mit einem Haargummi und einem Stück Klebeband repariert, da ist so eine Box rausgekracht.

Und damit hast du das Album aufgenommen?
Ja. Das war bei Böhmermann auch richtig scheiße. Da kommt auch nur auf einer Klinke noch was, ich kriege da nur ein Monosignal raus. Vielleicht habe ich auch ein bisschen den Betrieb da aufgehalten.

Das Album »Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt« erscheint am 30. April bei Antilopen Geldwäsche