Montenegro ist bei China hoch verschuldet

Autobahn in die Abhängigkeit

Montenegro kann seine Schulden bei einem chinesischen Konsortium nicht begleichen und bittet die EU als Beitrittskandidat um Hilfe.

Montenegro steckt in der Klemme. Das kleine Land an der Adria hatte für den Bau einer Autobahn einen Kredit von über einer Milliarde US-Dollar bei der Export-Import-Bank von China aufgenommen; diesen soll es ab Juli zurückzahlen. Allerdings hat das Land mit rund 620 00 Einwohnern nicht die Mittel, um die anfallenden Raten zu bezahlen.

Die Forderungen aus China treffen Montenegro zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt, denn es erwirtschaftet rund ein Fünftel seines Brut­toinlandsprodukts (BIP) mit dem Tourismus, und dieser ist in der Pandemie komplett zum Erliegen gekommen. Montenegro ist deshalb viel stärker von der Wirtschaftskrise betroffen als alle Nachbarstaaten; dem Internationalen Währungsfonds (IWF) zufolge fiel das BIP im Jahr 2020 um 15,2 Prozent. Montenegro hatte den Kredit vor sieben Jahren aufgenommen, um eine rund 170 Kilometer lange Autobahn von der Küstenstadt Bar im Süden bis zur nordöstlichen Grenze zu Serbien zu bauen. Später soll die Autobahn an jene im Bau befindliche Autobahn von der montenegrinischen Grenze in die serbische Hauptstadt Belgrad angeschlossen werden, um den Handel und den Verkehr mit Serbien zu erleichtern.

An dem Projekt gibt es aber Kritik, und nicht nur deshalb, weil das Zustandekommen dieser Verbindung zu ­Serbien noch gar nicht absehbar ist und Montenegro es nicht bezahlen kann. Antikorruptionsgruppen bemängeln auch, dass ein Kilometer der Autobahn im Bau rund 21 Millionen Euro koste, weshalb der montenegrinische Finanzminister Milojko Spajić sie als die »teuerste Autobahn der Welt« bezeichnete. Die derzeitige Regierung von Ministerpräsident Zdravko Krivokapić verdächtigt die vorige, zu hohe Kosten angesetzt zu haben, um in die eigenen Taschen zu wirtschaften. Initiiert wurde das Projekt unter Ministerpräsident Milo Đukanović, dem jetzigen Präsidenten, dessen enge Vertraute an dem Bau gut mitverdienen sollten. Ein großer Teil der Kreditsumme wurde an ihm nahestehende Subunternehmer vergeben. Hinzu kommt, dass die Trasse durch ein Naturschutzgebiet führt, das erheblichen Schaden zu nehmen droht. Der Werbespruch für die Autobahn, »Die Straße ist Leben«, wirkt da doch etwas deplatziert.

Das verantwortliche chinesische Unternehmen China Road and Bridge ­Corporation (CRBC) kommt mit dem Bau indessen nur langsam voran, die von der vorigen Regierung versprochene chinesische Effizienz beim Bauen ist nicht zu erkennen. Gerade einmal 40 Kilometer sind bislang fertiggestellt. CRBC hat rund 3 00 Arbeiter aus China und eigenes Gerät an die Adria gesendet, trotzdem liegt die Firma weit hinter dem Zeitplan. Wegen der finan­ziellen Probleme ist nun sogar unklar, ob das Projekt überhaupt fertiggestellt wird oder ob nun für lange Zeit dicke Brückenpfeiler in der Berglandschaft herumstehen, über die niemals eine Straße führen wird.

Die Autobahn ist Teil von Chinas Belt and Road Initiative, hierzulande auch bekannt als »Neue Seidenstraße«. Diesem Großvorhaben von 900 Milliarden Euro Umfang haben sich über 60 Staaten angeschlossen; es soll riesige Infrastrukturprojekte in Asien, Afrika und Europa verwirklichen, um China den Weg zur Weltmacht zu ebnen. Der Autobahnbau in Montene­gro zeigt exemplarisch, welche Nach­teile solche Wirtschaftspartnerschaften für kleinere Partner haben können: Es droht finanzielle ebenso wie politische Abhängigkeit.

Um seine Schulden begleichen zu können, hat der EU-Beitrittskandidat Montenegro bei der EU um Geld gebeten. Doch die Kommission lehnte ab. Das Bauprojekt hätten nie EU-Standards entsprochen, und darüber hinaus sei es nicht die Aufgabe der EU, die Schulden Dritter zu begleichen.

Für die EU-Kommission ist das Projekt aus zwei Gründen problematisch. Erstens treibt es die montenegrinischen Schulden in die Höhe, und zweitens ­erhöht es die außenpolitische Abhängigkeit des Landes von China enorm. Beides ist nicht gerade eine gute Grundlage, um bald der EU beizutreten. Die neue Regierung in Montenegro hat sich geirrt, wenn sie hoffte, dass die EU einen Beitrittskandidaten, der auch noch Nato-Mitglied ist, aus Eigeninteresse von seinen Schulden bei China ­befreien würde.

Was passiert, wenn Montenegro nicht zahlen kann, ist unklar. China hat für alle seine Verträge die Mediation durch andere Staaten ausgeschlossen. Gemäß dem Vertrag sind bei Rechtsstreitigkeiten Gerichte in Peking zuständig. Details kennt man aber nicht, weil der Vertrag nicht öffentlich ist. Montenegro könnte nun als erster europäischer Staat erleben, was manchen Staaten im globalen Süden bereits passiert ist. Als Sri Lanka seine Verbindlichkeiten bei chinesischen Banken im Jahr 2017 nicht mehr begleichen konnte, musste der Inselstaat seinen größten Hafen Hambantota für 99 Jahre an die Volksrepublik abtreten. Tadschikistan gab für einen Schuldenerlass im Jahr 2011 sogar 1 58 Quadratkilometer umstrittenes Grenzland an China ab. Montenegrinische Medien berichteten nun, die Gläubiger hätten bereits ein Auge auf den Hafen von Bar geworfen.