Was kümmert mich der Dax - In der Klimapolitik wetteifern die ­Industriestaaten mit Versprechungen

Wer bietet mehr?

Kolumne Von

Der bislang wirksamste Klimaschutz im Kapitalismus kam ungewollt. 2009 ging infolge der Finanz- und Wirtschaftskrise die Emission von Kohlendioxid im Vergleich zum Vorjahr zurück, allerdings nur um 1,3 Prozent. Eine Pandemie entfaltet offenbar größere Wirkung, im vergangenen Jahr sank der CO2-Ausstoß um etwa sechs Prozent. Doch die Produktion ist längst wieder angelaufen, so dass der Rückgang schnell wieder aufgeholt werden dürfte. Da allgemein bekannt ist, dass nur mit in diesem Jahrzehnt durchgesetzten politischen Entscheidungen die globale Erwärmung unter einem katastrophenträchtigen Niveau gehalten werden kann, herrscht nun große Freude über die Rückkehr der USA in die Klimapolitik. Bei der von US-Präsident Joe Biden einberufenen virtuellen Klimakonferenz wetteiferten die Industriestaaten Ende April in der Verkündung ehrgeiziger Ziele bei der Emissionsreduktion, sogar der brasilianische Präsident Jair Bolsonaro spielte brav mit.

Gänzlich unklar bleibt, wie diese Ziele erreicht werden sollen. Es gilt in der internationalen Diplomatie offenbar als unschicklich, die Tatsache anzusprechen, dass in zahlreichen Staaten wie den Golfmonarchien und Venezuela der Export fossiler Brennstoffe die materielle Grundlage des Herrschaftssystems ist. Es ist kaum zu erwarten, dass die von der Öl- oder Erdgasrente abhängigen Könige, Diktatoren und Autokraten der Umwelt zuliebe freiwillig ihrem Sturz den Weg bereiten wer-den, und insbesondere im Fall der Nuklearmacht Russland dürfte dies ein erhebliches Problem darstellen.

In den führenden Industriestaaten herrscht mittlerweile fast Kon­sens darüber, dass der Übergang zu erneuerbaren Energien notwendig, ja sogar eine Chance ist. Aber für wen? Bislang hat nur die US-Regierung einen Plan, die Erneuerung der Infrastruktur soll mit der Schaffung von Arbeitsplätzen und sozialpolitischen Maßnahmen verbunden werden. Das erfordert gewaltige Investitionen, und selbst wenn es gelingt, die Ausgaben im Kongress durchzusetzen, ist fraglich, ob der Wandel ohne Eingriffe in die Eigentumsordnung – etwa zur Entmachtung der von fossilen Brennstoffen abhängigen Kapitalfraktionen – schnell genug vonstatten gehen kann. Immerhin besteht in den USA die Möglichkeit, dass in Zukunft der Druck sozialer Bewegungen die Regierung zu einer radikaleren Politik zwingt. So weit ist man in der EU nicht, wo selbst in großen Teilen der Klimabewegung lediglich die Erhöhung des CO2-Preises befürwortet wird. Läuft es gut in den USA, wird man dort in einigen Jahren vielleicht für den Bau von Sozialwohnungen mit Solardach demonstrieren – schwer vorstellbar sind hingegen Protestierende, die eine höhere Heizkostenabrechnung fordern. Allerdings könnte es bald wieder zu ungewolltem Klimaschutz kommen, denn mit den Aktienkursen steigt auch die Wahrscheinlichkeit einer weiteren Finanzkrise.