Der Verein Ansaar International ist verboten worden

Terrorhilfe verboten

Das Bundesinnenministerium hat das islamistische Netzwerk Ansaar International verboten. Es wirft dem Verein die Unterstützung von Terrororganisationen vor.

Neun Jahre ist es her, dass Joel Nicholas Kayser den Düsseldorfer Verein Ansaar International gründete, den das Bundesinnenministerium Anfang Mai verboten hat. Kayser kam bei der Gründung frisch aus der Untersuchungshaft. 17 Mal hatte er vorher vor Gericht gestanden. Der 1980 geborene Kayser war ein Kleinkrimineller, hatte Probleme mit Drogen und Alkohol. Eine gewisse Bekanntheit hatte er mit der Düsseldorfer Rapgruppe BTM Squad erlangt. Im Gefängnis konvertierte Kayser zum Islam – in einem 2019 im Nordkurier veröffentlichten Porträt sagte er, dass diese Religion ihn gerettet habe.

Ansaar wuchs schnell. Der Verein half eigenen Angaben zufolge beim Aufbau von Brunnen, Krankenhäusern und Moscheen, oft in Konfliktregionen wie Somalia, dem Gaza-Streifen oder Syrien. Sein Motto lautete: »Wir bauen dort, wo andere kaputtmachen.« Kayser und andere deutsche Helferinnen und Helfer reisten regelmäßig in diese Regionen. Sie veröffentlichten Fotos und Videos, die zeigen sollten, welche Hilfe der Verein dort leistet.

Der Erfolg von Ansaar wäre ohne den Aufstieg des Salafismus in Deutschland, der mit der zeitweisen Ausbreitung der Terrormiliz »Islamischer Staat« in Syrien und im Irak zusammenhängt, nicht denkbar gewesen. Bei Spendenveranstaltungen traten regelmäßig sala­fistische Prediger auf. Außerdem warben prominente Salafisten wie Pierre Vogel, Sven Lau oder Bernhard Falk für den Verein. Zu dieser Zeit waren auch auf islamistischen Kundgebungen immer wieder Menschen in T-Shirts oder Pullovern von Ansaar zu sehen.

Ab 2016 nahm der Druck auf den Verein zu. Die deutschen Strafverfolgungsbehörden hatten verstanden, dass die deutsche Salafistenszene als Problem ernst genommen werden musste. Gruppen wie die »Stiftung Lies«, die Korane in Innenstädten verteilt hatte, wurden verboten. Ansaar versuchte angesichts dieser Entwicklungen, öffentlich auf Distanz zum Islamismus zu gehen, zeigte sich dabei aber inkonsequent. Für eine Pressekonferenz lud der Verein ins Maritim-Hotel am Düsseldorfer Flughafen ein. Moderieren sollte Martin Lejeune, der zu diesem Zeitpunkt schon eine schillernde Karriere hinter sich hatte. Vom Journalisten für Zeitungen wie Taz, Frankfurter Rundschau oder Neues Deutschland war er zum Propagandisten des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan geworden. Lejeune, der heute im Milieu der »Querdenker« agiert, war in seinem Einsatz für den Islamismus sogar so weit gegangen, den Holocaust anzuzweifeln. Das Maritim-Hotel erteilte ihm aufgrund seiner Äußerungen Hausverbot. Bei der Pressekonferenz sprach deshalb nur Kayser, der sich allerdings nur mehr schlecht als recht vom Salafismus distanzierte und über eine »Verleumdungskampagne klagte.

Ansaar schadeten die Vorwürfe kaum. Prominente wie der Fußballprofi Änis Ben-Hatira solidarisierten sich mit dem Verein – der SV Darmstadt 98 trennte sich sogar von seinem damaligen Spieler Ben-Hatira, weil sich dieser auch nach öffentlicher Kritik nicht von Ansaar distanzieren wollte. Der Verein veränderte zudem sein Vorgehen: Er begann zu dieser Zeit, sich neben seinen Projekten in Krisenregionen der islamischen Welt auch in der Obdachlosenhilfe in Deutschland zu engagieren. Ansaar unternahm sogar eine Initiative zur Unterstützung eines Waisendorfs, genannt »Home of Taqwa« in Ghana. Gemeinsam mit einer christlichen Organisation gründete Ansaar Anfang 2021 zudem ebenfalls in Ghana die Bewegung »African Peace Movement«, eine »muslimisch-christliche Friedensiniti­ative«. Das Image als Islamistenverein sollte spätestens nach einer bundesweiten Durchsuchung des Vereins im April 2019 korrigiert werden. Das Bundesinnenministerium betrachtete Ansaar damals als Teil eines deutschlandweiten islamistischen Netzwerks, der Verfassungsschutz in Nordrhein-Westfalen vermutete, der Verein fülle ein Vakuum, das durch das Verbot der Koranverteiler von »Lies« entstanden war. Ein Verbot wurde auch damals schon erwogen, bei den Durchsuchungen sollte Material dafür gesammelt werden. Kayser und Ansaar gaben sich seitdem zahmer. Eigenen Angaben zufolge soll der Verein mehrmals auf die Behörden zugegangen sein und nachgefragt haben, wie man sich verhalten solle, um nicht vom Innenministerium belangt zu werden.

Diese Bemühungen blieben offenbar ohne Erfolg. Am 5. Mai wurden außer Ansaar auch mehrere Gruppen verboten, die das Bundesinnenministerium als Teilorganisationen identifiziert hatte. Im Zuge des Verbotsverfahrens durchsuchte die Polizei mit etwa 1 00 Beamten bundesweit 90 Objekte, 150 00 Euro Bargeld wurden sicher­gestellt. Darüber hinaus wurden 500 00 Euro auf zwei Konten beschlagnahmt. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) sagte: »Wer den Terror bekämpfen will, muss seine Geldquellen austrocknen.« Spenden für den guten Zweck zu sammeln, in Wirklichkeit aber Terrororganisationen zu unterstützen, sei nicht mit dem deutschen Vereinsrecht vereinbar.

Das Innenministerium wirft Ansaar vor, die syrische Terrororganisation Jabhat al-Nusra, die palästinensische Terrororganisation Hamas sowie die somalische Terrororganisation al-Shabaab unterstützt zu haben. Informationen des SWR zufolge sollen außerdem Kinder in Einrichtungen des Vereins geschickt worden sein, dem Bundesinnenministerium zufolge, um »salafistisch-extremistische Inhalte« zu ver­innerlichen. Kayser bestreitet diese Vorwürfe. In Videobotschaften, die auf der Website von Ansaar veröffentlicht wurden, mutmaßt er, dass »antimuslimischer Rassismus« hinter dem Verbot stecke. Die al-Nusra-Front habe man nicht unterstützt. Vielmehr seien das falsche Anschuldigungen, denen private Streitigkeiten zugrunde lägen.