Die preisgekrönte Reportage: Ein Termin bei Dr. Karl Lauterbach

»Heute sind wir alle lauter wie Karl Lauterbach«

Kolumne Von

»Das ist mir extrem unangenehm. Ich habe keine Ahnung, wie meine Steuerberaterin all die Angaben übersehen konnte, die ich nicht gemacht habe! Ich verspreche: Alles, was potentiell nachweisbar ist, wird jetzt auf Heller und Pfennig geprüft!« So ähnlich lautete die Mitteilung, mit der der beliebte SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach ­Furore macht. Auch Annalena Baerbock meldete Zahlungen ihrer ­Grünen an sie – Corona-Zuschüsse, Stol­lenarbeiterzulagen und Hilfen für Freiberuflerinnen – erst verspätet an. Ein neuer Trend, der das Land im Sturm erobert: Nachmeldungen! Kurz vor der Bundestagswahl machen alle noch mal klar Schiff, geben eigenständig Verfehlungen zu, die der politische Gegner erst mühsam hätte recherchieren müssen.

Der Finanzexperte Claas Murgs erklärt das so: »Nachmeldungen sind vor allem Kommunikation für die eigene fan-base. Sie wirken wie eine freiwillige Offenlegung, obwohl die Betroffenen einfach ihrer Rechtspflicht nachkommen.« Lauter sein wie Dr. Lauterbach – kein Problem. Murgs erklärt, wie auch weniger prominente Personen den Nachmeldungskick erleben können. »Lassen Sie sich die Überweisung bestätigen, wenn Sie das nächste Mal ihren Strafzettel bezahlen, und posten Sie das Dokument bei Facebook. Gut machen sich Sätze wie: Ich zahle freiwillig meinen Strafzettel. Ein großes Versäumnis, dem ich nun in vollem Umfang nachzukommen gedenke.«

Mit Spannung erwartet wird die Meldung, ob Jens Spahn nicht versehentlich private Maskenbestellungen im Wert von über 100 Millionen Euro bei der Abrechnung übersah. Ob Angela Merkel zu ihrer berühmten Geburtstagssause mit Chefs der Deutschen Bank etwas nachzutragen hat, steht ebenfalls in den Sternen. Murgs: »Sie wäre jetzt moralisch verpflichtet, ein mindestens ähnlich aufwendiges Abendessen in Indien zu veranstalten!« Wer dieses Jahr versäumt, seine Nachmeldungen zu veröffentlichen, könne das auch nächstes Jahr tun, so Murgs. »Bei Nachnachmeldungen muss man allerdings aufstocken und statt von ­einem ›Riesenversäumnis‹ von einem ›Mega-Katastrophen-Fauxpas‹ sprechen. Oder von einem ›super-ärgerlichen Giga-Hupsie‹. Da ist der Gesetzgeber leider gnadenlos!«