Homestory

Homestory #21

Volle Bars, Cafés und Restaurants: Am Wochenende gab es vielerorts in Berlins einen Vorgeschmack darauf, was jetzt auf uns alle zukommt – die Rückkehr zur Normalität. Kaum sanken die Infektionszahlen und stiegen die Temperaturen, wurde den ums Überleben kämpfenden Gastronomiebetrieben die teilweise Wiederaufnahme ihrer Geschäfte erlaubt. »Wie wohl allseits bekannt, hat der amtierende Wohlfahrtssauschuss der Stadt Berlin verfügt, dass nunmehr von der Bevölkerung Getränke gegen Geld an Tischen vor Gebäuden konsumiert werden dürfen«, schrieb eine Szenekneipe, und versuchte ihre Kundschaft mit einem kostenlosen »Shot« zu ködern – »in diesem Fall Schnaps«.

Für die meisten Menschen bedeutet das vor allem: Sie können sich wieder intensiver der »Freizeitplanung« widmen. »Bald müssen wir wieder / zum Frisör / haben bald keine Ausrede mehr / bald müssen wir wieder / den Kiez verlassen / dürfen wieder nichts verpassen«, singt die Band Cremant Ding Dong. Doch nicht jeder brennt darauf, sich wieder ins Nachtleben zu werfen. Nach den Monaten des Daheimbleibens können Menschenmassen auch verstörend wirken. »Heute an sogenannter Außengastronomie vorbeigelaufen, direkt anxiety kick wegen der Menschenansammlung«, twitterte Hengameh Yaghoobifarah. Überhaupt, was ist das für ein Zustand, wenn man selbst für die Freizeitgestaltung erst noch ein negatives Testergebnis einholen muss? Für die Redaktionsmitglieder Ihrer Lieblingszeitung ist das offenbar zu viel Stress – sie bleiben bisher auf der Terrasse, im Garten oder betreiben Do-it-yourself-Außengastronomie im Hinterhof.

Vor allem aber ist die Pandemie noch nicht vorbei, auch wenn immer mehr es gerne so hätten. Je mehr halbgeimpfte oder gleichgültige Menschen auf der Straße herumlaufen oder brunchend herumsitzen, desto höher ist womöglich sogar das Ansteckungsrisiko. Es scheinen auch jene Bars am meisten Zulauf zu haben, die eher weniger eindringlich nach negativen Testergebnissen fragen. Wie sollte es anders sein? Wer Pech hat, kann kaum noch das Haus verlassen, ohne sich an vollen Tischen vorbeidrängen zu müssen. Also jetzt besser noch öfter: Maske auf.

Ein Gutes hat die schnelle Rückkehr zur Normalität jedenfalls: Wer die vergangenen Monate in Angst vor der Coronadiktatur gelebt hat, kann sich hoffentlich bald etwas entspannen und vielleicht ein anderes Hobby suchen. Die »Querdenken«-Demonstration am Wochenende in Berlin war jedenfalls ein Flop. Vielleicht fallen die vielen Verrückten aber auch einfach nur nicht mehr so auf, seit wieder mehr Menschen auf den Straßen sind.