Die afghanischen Helfer der Bundeswehr warten auf Asyl in Deutschland

Schutzlos ausgeliefert

Besonders das Beispiel Afghanistan zeigt, dass die Bundesregierung lieber in Populismus macht, als Schutzbedürftigen Asyl zu gewähren.

Seit Mai folgt die Bundeswehr ihrem Nato-Partner USA und zieht ihre Streitkräfte aus Afghanistan zurück; der Abzug soll spätestens zum symbolträchtigen Datum 11. September, dem 20. Jahrestag der Terroranschläge auf das World Trade Center, vollzogen sein. Mitte April hatte der Rat des Nordatlantikpakts das Ende der seit 2015 laufenden Trainings- und Unterstützungsmission »Resolute Support« beschlossen. 1 300 Bundeswehrsoldaten und -soldatinnen sind dabei, hastig Afghanistan zu verlassen; sie stellen das größte Kontingent der insgesamt 7 000 Angehörigen internationaler Truppen. Die Abziehenden hinterlassen kein stabiles Land: Dem Global Peace Index zufolge war Afghanistan auch im vorigen Jahr das gefährlichste Land der Welt, woran der ausländische Truppenabzug nichts ändern wird. Beobachterinnen und Beobachter rechnen eher mit einem Anstieg von Gewalttaten und Konflikten oder gleich mit der Übernahme des Landes durch die islamistischen Taliban, die in den vergangenen zwei Jahrzehnten nicht besiegt werden konnten.

Noch während sich der Krieg im Land intensivierte, hatte die Bundes­regierung mit der Behaup­tung, dass Teile des Landes sicher seien, versucht, Sammelabschiebungen nach Afghanistan zu ermöglichen.

Was jedoch passiert nun mit den etwa 300 sogenannten Ortskräften, also jenen Afghaninnen und Afghanen, die derzeit mit der Bundeswehr beispielsweise als Dolmetscherinnen und Dolmetscher zusammenarbeiten und von den Taliban als Kollaborateure verfolgt werden? Trotz mehrfacher Beteuerungen der Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU), die Ortskräfte unbürokratisch nach Deutschland zu holen, steht ihre Sicherheit auf dem Spiel, worauf ein von Afghanistan-Experten und -expertinnen sowie ehemaligen Bundeswehrgenerälen unterzeichneter offener Brief Mitte Mai hinwies. Für die Aufnahme der Ortskräfte gibt es seit 2013 ein spezielles Verfahren, an dem sich die Bundeswehr beteiligt, doch ist die Zustimmung des Innen- und Außenministeriums erforderlich, um den Ortskräften Asyl zu gewähren. Dem offenen Brief zufolge wurden kurz nach der Einrichtung dieses Aufnahmeprogramms etwa 800 Anträge positiv beschieden, seit 2014 seien es nur noch 15 gewesen.

Die Regierung ignoriert diese Warnungen bislang. Es ist kein Geheimnis, dass insbesondere das Bundesinnenministerium eine harte Linie gegen afghanische Asylsuchende verfolgt. Noch während sich der Krieg im Land intensivierte, hatte die Bundesregierung mit der Behauptung, dass Teile des Landes sicher seien, versucht, Sammelabschiebungen nach Afghanistan zu ermöglichen. Schließlich wurden Ende 2016 die Abschiebungen wiederaufgenommen und seither über 1 000 Afghanen in das Bürgerkriegsland abgeschoben. Wegen der Covid-19-Pandemie wurden die Abschiebungen ab März 2020 auf Bitten der afghanischen Regierung ausgesetzt, finden seit Dezember aber wieder statt; insbesondere die bayerische Landesregierung forciert sie. Der parlamentarische Staatssekretär Stephan Mayer (CSU) rechtfertigte diese Praxis im Bayerischen Rundfunk als konsequente Durchsetzung des Rechtsstaats.

Humanitäre Erwägungen spielen in der öffentlichen Wahrnehmung nur eine untergeordnete Rolle. Dazu trägt auch die niedrige Quote von Schutzanerkennungen bei, die Pro Asyl zufolge die Sicherheitsprobleme in Afghanistan nicht korrekt wiedergebe. Die Nichtregierungsorganisation wirft der Bundesregierung vor, die entsprechenden Quoten mit Absicht niedrig zu halten, um umfassende Abschiebungen als Reaktion auf die gestiegene Zahl von Anträgen im Zuge des »Sommers der Migration« 2015 zu rechtfertigen. Dafür spreche die hohe Erfolgsquote von Klagen gegen Ablehnungen von Anträgen von Schutz- und Asylsuchenden aus Afghanistan.

Besser sieht es für Syrerinnen und Syrer aus. Obwohl einige Parteien die ­Abschiebung von syrischen Straftätern forderten und die zuständige Innenministerkonferenz den langjährigen Abschiebestopp in das Bürgerkriegsland im Dezember nicht mehr verlängert hat, können dorthin keine Abschiebungen vorgenommen werden, weil die Bundesrepublik keine Beziehungen mit dem syrischen Regime unterhält, wie die Taz im März berichtete. Das entlarvt den Beschluss der Innenministerkonferenz als folgenlose Rhetorik.

Dennoch befindet sich Syrien auf dem Weg zu internationaler Anerkennung. Arabische Staaten wie die Vereinigten Arabischen Emirate und der Irak betreiben die schrittweise Wiedereingliederung der Regierung Bashar al-Assads in die regionale Staatengemeinschaft. Dies folgt dem Eingeständnis, dass die Sanktionen und Boykotte ­gegen das syrische Regime, denen sich auch EU-Staaten angeschlossen hatten, gescheitert seien und man die Fakten akzeptieren müsse. Vor allem ein Treffen Anfang Mai zwischen dem saudischen Geheimdienstchef und Assad ließ aufhorchen, war Saudi-Arabien doch zu Beginn des Bürgerkriegs als ein Hauptfinanzier der sunnitischen syrischen Rebellen aufgetreten. Falls die Mehrheit der arabischen Staaten das Assad-Regime wieder anerkennen sollte, könnten dem mittelfristig auch EU-Staaten folgen.

Die sozialdemokratisch geführte Minderheitsregierung in Dänemark hat die Gegend um Damaskus entgegen der Einschätzung der eigenen Gutachterinnen und Gutachter als sicher eingestuft und syrischen Geflüchteten den Schutztitel entzogen. Zwar finden wegen der abgebrochenen Beziehungen bislang auch dort noch keine Abschiebungen statt, doch die Betroffenen werden zur Ausreise gedrängt. Wenn sie nicht ausreisen, werden sie in Abschiebelager gebracht, wo sie womöglich Jahre auf die Normalisierung der Beziehungen warten müssen. Obwohl das für syrische Geflüchtete in Deutschland momentan noch nicht zu befürchten ist, werden die AfD und Teile von CDU und CSU die Politik der dänischen Sozialdemokraten mit Interesse verfolgen.