»Im Erdkern böse Echsen leben«

»Dieser Weg wird die Reichswehr sein, dieser Weg wird stalingradschwer«, trällert es durch die Räume des Rostocker Rathauses. Xavier Naidoo hat die Zeilen seines Songs leicht verändert, um »seinen Bewusstwerdungsprozess zu veranschaulichen, wie wir alle SYSTEMATISCH BETROGEN werden«, wie der Künstler in seiner Telegram-Gruppe schreibt. Nun erklingen sie hier, beim für die städtischen Veranstaltungen zuständigen Gerhard Schwupp. Er wippt mit leicht mit dem Fuß im Takt.

»Natürlich beobachten auch wir Naidoos Radikalisierung«, sagt er. »Er tritt mit ›Kategorie C‹ auf, nennt den mit Haftbefehl gesuchten antisemitischen Hetzer Attila Hildmann einen ›Bruder im Geiste‹.« Aber wenn es darum geht, sein Konzert abzusagen, seien der Stadt die Hände gebunden: »Gesetzlich sind wir gehalten, immer den Künstler vom Menschen zu trennen. Der Künstler mag ein zutiefst in Verschwörungserzählungen verstrickter Reichsbürger sein – für uns ist allein der Mensch wichtig. Und wenn der Mensch ebenfalls ein in Verschwörungserzählungen verstrickter Reichsbürger ist, dann sagt das doch noch lange nichts über seine Kunst aus!«

Zunächst hatte die Rostocker Bürgerschaft Widerspruch gegen das geplante Konzert in der Stadthalle eingelegt. Den hob der Bürgermeister persönlich auf: »Wir machen uns Sorgen um den Dammbrucheffekt«, sagt Schwupp zur Begründung. »Wenn wir den Auftritt dieses einen glühenden Hetzers verbieten, dann müssen wir das auch beim nächsten tun. Und beim übernächsten. Wissen Sie eigentlich, wie wenige Künstler es in Deutschland gibt, die nicht schon vollständig nach rechts weggerutscht sind? Sie haben doch diese Fernsehkasper gesehen. Da können wir die Halle doch gleich zumachen!«

Wie äußert sich Naidoo selbst zu dem Rostocker Streit? Direkt nimmt er nicht darauf Bezug. Nur sein neuer Song »Glaubst du das« enthält eventuell einen Hinweis: »Glaubst du, dass die Rothschilds jeden Krieg bezahlen  nd Satanistenbanden Pentagramme malen?  laubst du, dass im Erdkern böse Echsen leben, die mit ihren Ufos an die Oberfläche streben? Wenn du das glaubst, dann komm am Montag mal rum, schau dich um, du kannst dabei sein!«

_{Aus der Urteilsbegründung: Leo Fischers preisgekrönte ­Reportagen sind in hohem Maße fiktiv. Ähnlichkeiten mit realen Personen und Geschehnissen sind unbeabsichtigt.}