Fringe-Theorien und »fictional science«

Fictional Science

Laborbericht Von

In Filmen sieht Wissenschaft meist ganz einfach aus: ein paar Tage unter Hochdruck im Labor gearbeitet, ein paar Formeln in den Computer eingegeben, und, voilà, fertig ist das Heilmittel gegen den Killerkeim oder der Plan, wie der heranrasende Asteroid zu zerstören ist. Jenseits von Hollywood besteht Forschung dagegen mehr aus Suchen denn aus Finden, inklusive zahlreicher Ab- und Irrwege.

Dabei muss nicht jede weit hergeholt klingende Idee falsch sein. So postulierte 1911 der Meteorologe und Polarforscher Alfred Wegener die Theorie der Kontinentalverschiebung – und wurde zeitlebens nicht ernst genommen. Erst als in den sechziger Jahren entdeckt wurde, dass an den mittelozeanischen Rücken permanent neue Erdkruste entsteht, begann sich der Gedanke der driftenden Kontinente durchzusetzen.

Andererseits ist nicht jeder, der steile Thesen in die Welt setzt, ein zweiter Alfred Wegener, und auch eigentlich seriöse Wissenschaftler sind nicht davor gefeit, sich in abseitige Theorien zu verrennen. Linus Pauling, der 1954 den Chemie- und 1963 wegen seines Engagements gegen Atomwaffen den Friedensnobelpreis erhielt, beharrte mit missionarischem Eifer darauf, dass hochdosiertes Vitamin C ein Wundermittel gegen allerlei Geißeln der Menschheit von Krebs bis HIV sei.

Viele dieser sogenannten Fringe-Theorien sind rundheraus gefährlich – zum Beispiel die Behauptung, Impfungen verursachten Autismus – und/oder anschlussfähig an rechtsextreme Ideologie. Unzählige Versuche, Einstein zu widerlegen, knüpfen an die »Deutsche Physik« an, die die Nationalsozialisten wider die »jüdische« Relativitätstheorie etablieren wollten.

Daneben gibt es aber auch jene Sorte von Forschung neben der Spur, die man als unterhaltsame fictional science bezeichnen könnte, zum Beispiel die Kryptozoologie, die nach Nessie, dem Yeti&Co. sucht. Besonders gut zur Jahreszeit, in der es die Leute in die wieder geöffneten Freibäder zieht, passt eine Hypothese, die erklären soll, warum wir die einzigen Menschenaffen sind, auf die Baden und Schwimmen so einen großen Reiz ausübt: Der sogenannten Wasseraffentheorie zufolge gab es eine Phase, in der unsere Vorfahren teilweise oder überwiegend im Wasser lebten. Die spärliche Behaarung und der aufrechte Gang seien Anpassungen daran.

Die evolutionstheoretische Grundlage für diese Argumentation ist allerdings dünn und Funde von Vor- und Urmenschen sehen die Ursprünge der Gattung Homo klar auf dem Land. Der britische Meeresbiologe Alister Hardy, der in den sechziger Jahren die Idee vom Wasseraffen postulierte, bezeichnete diese auch ausdrücklich als Spekulation. Zumindest als – jedenfalls aus Sicht schwimmbegeisterter Kolumnistinnen – sympathisches Gedankenspiel darf man das Ganze durchgehen lassen.