Die sächsische Polizei hat Pro­bleme mit dem Geschlecht

Law and Order bis zum Rechtsbruch

Eine Kleine Anfrage zum Umgang der Polizei mit dem Geschlechts­eintrag »divers« beantwortete der sächsische Innenminister Roland Wöller mit queerfeindlichen Ressentiments.

Seit über zwei Jahren ist es schon geltendes Recht: Mit der Verabschiedung des Paragraphen 45b des Personenstandsgesetzes hielt 2019 der Geschlechtseintrag »divers« Einzug in die deutsche Bürokratie. Seither können Menschen, die sich weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen, dies auch rechtlich anerkennen lassen. Das sollte nach dem Willen des Gesetzgebers vor allem intergeschlechtlichen Menschen zugute kommen, während nichtbinäre transgeschlechtliche Personen weiterhin auf das Transsexuellengesetz verwiesen werden.

Das Gesetz kennt kein biologisches Geschlecht, sondern eben nur das rechtliche. Das Adjektiv »biologisch« taucht immer da auf, wo es um trans­feindliche Argumentationen geht.

Intergeschlechtlichkeit definiert der Bundesverband »Intergeschlechtliche Menschen e. V.« auf seiner Website als »biologische Besonderheiten bei der Geschlechtsdifferenzierung«. Das heißt, dass sich aus den verschiedenen Merkmalen, die als medizinische Marker für Geschlecht gelten, keine eindeutige Zuordnung ergibt.

Mehr als zwei Jahre nach Einführung der sogenannten Dritten Option hat die sächsische Landtagsabgeordnete Juliane Nagel (Linkspartei) eine Kleine Anfrage eingebracht, um herauszufinden, wie die sächsische Polizei mit dieser Änderung umgeht. Dabei bezog sie sich auf den Paragraphen 23 des sächsischen Polizeigesetzes; dort steht in Absatz 3, dass eine körperliche Durchsuchung nur von Personen des gleichen Geschlechts vorgenommen werden darf.

Beantwortet hat diese parlamentarische Anfrage der oberste Dienstherr der Polizei, Innenminister Roland Wöller (CDU). Der ist nicht unumstritten. Seit er 2017 von Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) in sein jetziges Amt berufen wurde, hat er sich bereits mehrfach als law and order-Politiker inszeniert. Sei es bei der medienwirksam inszenierten Schaffung einer sogenannten Waffenverbotszone in der migrantisch geprägten Eisenbahnstraße in Leipzig oder durch seinen vehementen Einsatz gegen Geflüchtete und für Abschiebungen nach Syrien – Wöller scheint wie viele seiner Amtskollegen und -kolleginnen zu glauben, das Wort »Rechtsstaat« leite sich von der eigenen politischen Gesinnung ab.

Eben dieses Rechtsverständnis zeigte er nun auch bei der Frage, wie die Polizei mit Menschen mit diversem Geschlechtseintrag zu verfahren habe. Wöller hält die Antwort für recht einfach: Die Polizei orientiere sich am »biologischen Geschlecht als eindeutig feststellbarem Unterscheidungsmerkmal«.

Wöller lässt dabei offen, wie die Polizei dies feststellt und wie die Polizei im Falle einer intergeschlechtlichen Personen verfährt. Doch darum geht es wohl auch nicht. Solche Aussagen sind vor allem als politische Selbstverortung zu verstehen. Denn das Gesetz kennt kein biologisches Geschlecht, sondern eben nur das rechtliche. Das Adjektiv »biologisch« taucht immer da auf, wo es um transfeindliche Argumentationen geht. So weist die queerpolitische Sprecherin der Landtagsfraktion der Linkspartei, Sarah Buddeberg, darauf hin, dass durch die Hintertür auch die Rechte von transgeschlechtlichen Menschen ausgehöhlt würden, »wenn Polizeibeamte sich angesichts dieser Regelung veranlasst sehen, das vermeintlich ›echte‹ biologische Geschlecht festzustellen«.

Dass es auch andere Möglichkeiten gibt, zeigt sich auf Bundesebene. Auf eine ähnliche Anfrage der Linkspartei im Bundestag antwortete die Regierung, dass man Menschen mit dem Geschlechtseintrag divers beziehungsweise mit offenem Geschlechtseintrag ein Wahlrecht einräume, von wem sie durchsucht und in welcher Vollzugsanstalt sie untergebracht werden wollen. Damit orientieren sich Bundespolizei, BKA und Justizvollzugsanstalten an den Empfehlungen eines Gutachtens des Deutschen Institut für Menschenrechte.

Es ist nicht weiter verwunderlich, dass ein sächsischer CDU-Minister in einem Wahljahr als konservativer Hardliner auftreten will und dies auf Kosten von Minderheiten tut. Aber ­gerade in Sachsen ist queeres Leben besonders prekär. 2018 erschlugen drei Rechtsextreme in Aue den schwulen Chris­topher W.; 2020 griff in Dresden ein Islamist Oliver L. und dessen Partner an und verletzte L. tödlich. Nur ein Bruchteil der homo- und queerfeindlichen Taten wird angezeigt, wie die Dunkelfeldstudie der Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) Queeres Netzwerk Sachsen 2019 belegte.

Vera Ohlendorf von der LAG erklärt im Gespräch mit der Jungle World, dass die Anzeigebereitschaft auch deswegen so gering sei, weil die Betroffenen erneute Diskriminierung durch die sächsische Polizei befürchteten. »Die Äußerungen von Innenminister Wöller sind nicht geeignet, das für eine Anzeige nötige Vertrauen in die Polizei zu schaffen oder zu verbessern«, so Ohlendorf.

Um so zynischer wirkt es, wenn das LKA Sachsen keinen Monat nach den Äußerungen Wöllers zwar gemeinsam mit der LAG Queeres Netzwerk Sachsen einen Info-Flyer gegen homofeindliche Gewalt herausgibt, es in der ­begleitenden Pressemitteilung aber heißt, es gebe »Vorurteile, die sowohl seitens der LSBTTIQ-Community als auch der Polizei bestehen«.