Sher Bahadur Deuba ist zum fünften Mal Ministerpräsident in Nepal

Oli raus, Deuba rein

In Nepal hat das Parlament den bisherigen Oppositionsführer Sher Bahadur Deuba als neuen Ministerpräsidenten bestätigt. Er ist mit einer ausufernden Coronakrise und wirtschaftlichen Problemen konfrontiert.

Genau einen Monat nach seinem 75. Geburtstag, am Abend des 13. Juli, vereidigte Staatspräsidentin Bidya Devi Bhandari den politischen Veteranen Sher Bahadur Deuba als neuen Ministerpräsidenten Nepals. Tags zuvor hatte der Oberste Gerichtshof, die höchste juristische Instanz des Landes, in einem wegweisenden Urteil das im Mai von Bhandari aufgelöste Parlament wieder eingesetzt und Deubas Anspruch auf das höchste politische Amt stattgegeben. 30 Tage hatte er nach seiner vorläufigen Einsetzung Zeit, seine parlamentarische Mehrheit nachzuweisen.

Doch der bisherige Oppositionsführer ließ keinen Tag unnütz verstreichen. Bereits am 18. Juli, als die Abgeordneten erstmals wieder zusammentraten, erfolgte die Vertrauensabstimmung. Dabei erhielt er 165 von 275 Stimmen, 83 Parlamentarier stimmten gegen ihn. Nun hat Deuba theoretisch anderthalb Jahre Zeit bis zu regulären Neuwahlen, um wieder Ruhe in die nepalesische Politik zu bringen und die Probleme des Landes anzugehen.

Ob ihm dies gelingt, muss sich erst zeigen. Er hat es nicht allein in der Hand – viel liegt auch an seinen Bündnispartnern und daran, wie sich der nun in die Opposition geschickte ehemalige Ministerpräsident Khadga Prasad Sharma Oli verhält. Zumindest fürs Erste hat Oli seine Niederlage akzeptiert, er wehrte sich nicht gegen den gerichtlich verfügten Machtwechsel.

Bereits zum zweiten Mal in jüngster Zeit hatten die höchsten Richter einschreiten müssen. Den ersten Versuch, auf fragwürdige Weise mittels Parlamentsauflösung Neuwahlen zu erzwingen, hatte Oli Mitte Dezember unternommen und dabei überraschenderweise die Unterstützung der Präsidentin erhalten. Schon da annullierte der Oberste Gerichtshof dieses Vorgehen als nicht verfassungsgemäß und setzte das Parlament im Februar wieder ein.

Auslöser der Krise war seinerzeit, dass sich im Verlaufe des Jahres 2020 Spannungen innerhalb der regierenden Nepalesischen Kommunistischen Partei (NCP) stetig verschärft hatten. Das führte so weit, dass die beiden Co-Parteivorsitzenden Oli und Pushpa Kamal Dahal alias Prachanda schließlich parallele Führungsstrukturen etablierten.

Dahal hatte von 1996 bis 2006 den zehnjährigen Guerillakampf der Maoisten gegen das damals noch monarchistische politische System angeführt. Bei den Wahlen 2017 schlossen die beiden großen linken Parteien, die Kommunistische Partei/Maoistisches Zentrum (CPN-MC) und die eher linksso­zialdemokratische Kommunistische Partei Nepals/Vereinigte Marxisten-­Leni­nisten (CPN-UML), erstmals ein Bündnis und errangen damit eine imposante Mehrheit; ein halbes Jahr später schlossen sie sich zur NCP zusammen.

Es sollte eine gleichberechtigte Vereinigung sein, doch anderthalb Jahre später kritisierten vor allem aus dem maoistischen Lager kommende Gegner Olis dessen Ämterhäufung und Machtanspruch. Dahals Fraktion erhielt dabei Unterstützung von Madhav Kumar Nepal und Jhala Nath Kanal, zwei ehemaligen Ministerpräsidenten, die bereits vor der Vereinigung Olis Rivalen in der CPN-UML gewesen waren. Sie wurden inzwischen aus der Partei ausgeschlossen, nachdem der Oberste Gerichtshof in einer weiteren Entscheidung am 7. März die Gründung der NCP drei Jahre zuvor für nichtig erklärt hatte, was automatisch die Wiederherstellung der beiden Vorgängerparteien bedeutete. Zunächst folgten weitere Turbulenzen, was nicht zuletzt mit dem zweiten Versuch der vorfristigen Parlamentsauflösung im Mai endete (Jungle World 22/2021).

Deuba hatte sich in der ersten Phase des innerkommunistischen Zwists und der neuen Spaltung zunächst geweigert, als Vorsitzender der plötzlich wieder nach Abgeordnetenzahl größten Einzelpartei im Parlament nach der Regierungsmacht zu streben – vielmehr wollte er seinen sozialliberalen Nepali Congress (NC) weiter in der Opposition halten. Erst später änderte er seine Politik. Nun kann er sich außer auf seine eigene Partei auch auf Dahals CPN-MC, die rund ein Dutzend aus der CPN-UML Ausgeschlossenen um Nepal und auf die Janata Samajbadi Party (JSP) stützen – diese in zwei Fraktionen gespaltene Partei versteht sich als Interessenvertretung der Madhesi, der Tieflandbevölkerung im Grenzstreifen zu Indien.

An diesem südlichen Nachbarn dürfte sich nun auch wieder die Außenpolitik orientieren. Oli hatte in seiner Amtszeit stets auf Balance zwischen den regionalen Großmächten geachtet; Nepal liegt eingekeilt zwischen China und Indien, so dass man weder die chinesische noch die indische Regierung verärgern sollte. Der NC ist traditionell aber stärker proindisch orientiert.

Deuba ist einer der erfahrensten Politiker des Landes: Bereits viermal zuvor stand er einer Regierung vor. Erstmals 1995 bis 1997, als die Maoisten ihren Untergrundkampf begannen, das nächste Mal 2001 bis 2002, als die Guerilla den Westen des Landes teilweise unter ihrer Kontrolle hatte und von ihm zur Terroristengruppe erklärt wurde. Kurz zuvor, am 1. Juni 2001, hatte der damalige Kronprinz Dipendra bei einem Massaker fast die gesamte königliche Familie ermordet und sich selbst in den Kopf geschossen, weshalb sein Onkel Gyanendra zum neuen König wurde. Doch dieser entpuppte sich bald als autoritär. Kurzzeitig saß Deuba sogar im Gefängnis. 2008 wurde Gyanendra abgesetzt. In Deubas vierter Amtszeit ab Juni 2016 koalierte dieser bereits einmal mit den Maoisten – in einer Phase, in der die Regierungen regelmäßig nur ein paar Monate im Amt waren.

Als besonders fähiger Administrator hat er sich in der Vergangenheit nicht hervorgetan. Nun steht er, wie er nach dem Vertrauensvotum selbst anmerkte, vor allem vor der Aufgabe, die auch in Nepal in einer dritten Welle verschärfte Coronakrise in den Griff zu bekommen. Neue Impfstofflieferungen aus verschiedenen ausländischen Quellen bieten dafür etwas Hoffnung. Noch heikler sind die wirtschaftlichen Probleme. Viele Preise für grundlegende Versorgungsgüter haben sich verdoppelt, die ärmere Mehrheit der Bevölkerung leidet sehr darunter.