Small Talk mit Jakub Gawron von »Atlas des Hasses« über Homophobie in Polen

»Wir können den Prozess für unsere Ziele nutzen«

Seit 2019 haben sich in Polen zahlreiche Städte, Landkreise und Regionen zu »LGBT-Ideologie-freien Zonen« erklärt. Viele Kommunen verabschiedeten homofeindliche Resolutionen und eine sogenannte Kommunale Charta der Familienrechte. Auf deren Grundlage können zum Beispiel Organisationen, die die »Werte von Familie und Ehe untergraben«, von der Beteiligung am öffentlichen Bildungswesen und von finanzieller Förderung ausgeschlossen werden. Dagegen gibt es Widerstand. Die Jungle World sprach mit Jakub Gawron von der Initiative »Atlas des Hasses«, die die »LGBT-Ideologie-freien Zonen« auf einer im Internet einsehbaren Landkarte dokumentiert.
Small Talk Von

Wie sieht die Arbeit Ihrer Initiative aus?

Wir sind eine Gruppe von Leuten, die sich gegen die systematische Diskriminierung von LGBTQI-Personen in Polen wehren und mit dem »Atlas des Hasses« LGBTQI-feindliche Beschlüsse beobachten wollen. Unsere Arbeit besteht aus zwei Komponenten: zum einen der genauen Dokumentation der politischen Entwicklungen durch eine Datenbank, in die wir amtliche Schriftstücke, Protokolle, Erklärungen, Ergebnisse von namentlichen Abstimmungen, Videoaufzeichnungen von Gemeindesitzungen und so weiter einpflegen, zum anderen der Visualisierung der LGBTQI-feindlichen Beschlüsse auf einer Landkarte von Polen.

Welche Reaktionen gab es auf Ihre Arbeit?

Der Atlas erfuhr große Aufmerksamkeit in Polen und auch international. Inzwischen sind die LGBTQI-feindlichen Beschlüsse Teil der Debatte über den allgemeinen Zustand des Rechtsstaats unter der PiS-Regierung in Polen. Wohl auch als Folge dieser öffentlichen Aufmerksamkeit gab es ab Mitte 2020 fast keine weiteren LGBTQI-feindlichen Beschlüsse. Mittlerweile ziehen auch immer mehr Gemeinden ihre Resolutionen zurück.

Vor kurzem begann ein Prozess gegen die Mitglieder Ihrer Initiative. Warum werden Sie verklagt?

Ein Landkreis, den wir im Atlas verzeichnet haben, bezichtigt uns der Rufschädigung. Angeblich geht es der Kreisverwaltung nämlich nur um die Unterstützung von Familien. Aber die sogenannte Kommunale Charta der Familienrechte zielt eindeutig auf den Ausschluss von Gleichstellungs- und Antidiskriminierungsprojekten. Die Anklage vertritt die rechtskatholische Stiftung Ordo Iuris, die zugleich Urheberin des Musterentwurfs der Charta ist. Ihr Ziel ist sicher, uns und andere Aktivistinnen und Aktivisten einzuschüchtern und die Ausdehnung von Antidiskriminierungsarbeit zu verhindern.

Was bedeutet dieser Prozess für Ihre weitere Tätigkeit?

Solche Prozesse haben auch positive Seiten. Wir können die mediale Aufmerksamkeit gebrauchen, um über das Thema aufzuklären und der Gegenseite durch gezielte Fragen ihre eigentliche Motivation entlocken. Kurzum, wir können den Prozess für unsere aktivistischen Ziele nutzen. Wir haben schon viele neue Pläne und keine Angst. Wer uns übrigens unterstützen und etwas für die Prozesskosten spenden will, kann das über die Organisation All Out, die man auf unseren Online-Profilen findet, gerne tun.