Die Proteste ein Jahr nach der Explosion im Hafen von Beirut

Nach der Explosion ist vor der Explosion

Vor einem Jahr explodierten bis zu 2 750 Tonnen Ammoniumnitrat im Hafen von Beirut und verwüsteten die Stadt. Der Libanon befand sich damals bereits in einer schweren wirtschaftlichen und politischen Krise. Ein Jahr nach dem Unglück droht das Land zu zerfallen.
Reportage Von

Ein schweigender Protestzug bahnt sich am 4. August seinen Weg durch ein Menschenmeer auf der Beiruter Stadtautobahn entlang des zerstörten Hafengeländes. An der Spitze laufen eingehakt Angehörige der libanesischen Anwaltskammer, sie tragen schwarze ­Roben mit weißen Jabots. Hinter ihnen halten Menschen ein Plakat hoch, das die Gesichter der über 200 Opfer zeigt, die bei der Explosion im Hafen vor genau einem Jahr getötet wurden. Zehntausende sind am Jahrestag gekommen. Ehrfurchtsvoll treten sie beiseite, um dem Zug Platz zu machen.

Vor der apokalyptischen Kulisse der geborstenen Betonsilos im Beiruter Hafen betritt Melhem Khalaf, der Vorsitzende der Beiruter Anwältevereinigung, das Rednerpult und erhebt schwere Vorwürfe gegen die Regierung. Sie sei maßgeblich für das Verbrechen am 4. August 2020 verantwortlich, das ­einem Genozid an den Libanesen gleichkomme. Seither begehe sie jeden Tag aufs Neue kaltblütige Morde, indem sie sich der Verantwortung für ihre terroristische Tat entziehe und die Ermittlungen behindere.

»Wir ruhen nicht, bis die Verantwort­lichen zur Rechenschaft gezogen werden. Jedoch verhindert die Regierungsclique, darunter die Hizbollah, eine Ermittlung mit aller Macht.« Qassem, Musiker

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