Umfangreiche Ermittlungen wegen Polizeigewalt in einem süditalienischen Gefängnis

Vier Höllenstunden im Gefängnis

Im April 2020 schlug ein Polizeiaufgebot stundenlang Gefangene in der Haftanstalt der süditalienischen Kleinstadt Santa Maria Capua Vetere zusammen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen 117 Angehörige des Polizei- und Verwaltungsapparats.

Hunderte Polizisten in Kampfanzügen, die auf wehrlose Männer und Frauen einprügeln, Verletzte mit Schlagstöcken vor sich her treiben, verhaften und in eine nahegelegene Kaserne verschleppen: Die Bilder des blutigen Überfalls auf die Armando-Diaz-Schule, die während des G8-Gipfels in Genua 2001 als Pressequartier der Protestbewegung diente, sind in diesem Sommer wieder in das öffentliche Bewusstsein gerückt. Just zum 20. Jahrestag des als »chilenische Nacht« charakterisierten Überfalls wurde aus Italien eine weitere Episode faschistoider Polizeigewalt bekannt.

In öffentlich gewordenen Chat­protokollen gab es zunächst Aufrufe wie »Bändigt das Vieh«, später teilten die Polizisten ihre Genugtuung: »Wir haben sie abgeschlachtet wie Kälber.«

Ende Juni veröffentlichte die Tageszeitung Domani auf ihrem Online-­Portal ein Überwachungsvideo aus der Haftanstalt in der süditalienischen Kleinstadt Santa Maria Capua Vetere. Der Filmausschnitt zeigt, wie im April 2020 die Insassen eines Gefängnistrakts von einem unverhältnismäßig großen Polizeiaufgebot in Kampfausrüstung aus ihren Zellen geholt, mit Beschimpfungen und Ohrfeigen gedemütigt, schließlich mit Schlagstöcken und Fußtritten durch Polizeispaliere geprügelt werden.

Die Staatsanwaltschaft hat ein Ermittlungsverfahren gegen 117 Angehörige des Polizei- und Verwaltungsapparats eingeleitet, acht Personen wurden in Untersuchungshaft genommen, 18 weitere unter Hausarrest gestellt und zwei Dutzend vorläufig ihrer Ämter enthoben. Das sichergestellte Filmmaterial belege einen »massiven und wahl­losen, völlig unberechtigten Gebrauch jeder Art von physischer und moralischer Gewalt zum Schaden der Gefangenen«. Es habe sich um eine »genauestens geplante« Aktion gehandelt, die von Polizeieinheiten aus dem nahegelegenen Gefängnis im neapolitanischen Stadtteil Secondigliano unterstützt worden sei.

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