Kritik an den Botschaften der Paralympics-Werbung

Triumph des Wollens

Bei den Paralympics sollen die Ausnahmesportler mit ­Behinderung demonstrieren, dass es keine Entschuldigung dafür gibt, keine Leistung zu bringen.

Der moderne Sport ist seit seinen Anfängen im 19.Jahrhundert ein Normierungsprojekt, in dessen Rahmen vor allem militärische Tugenden vermittelt werden sollen: Kameraderie, Opferbereitschaft, Durchsetzungswillen, Unempfindlichkeit, kurzum: Heldentum. Dafür bringt er bestimmte Körper hervor, auf die sich dann die Blicke der Öffentlichkeit richten. Der Lohn der Athleten und Athletinnen ist Ruhm und Anerkennung. Im postmodernen Sport zählt dabei nicht nur die Leistung an sich, sondern auch die Ästhetisierung der verschiedenen Körper.

Der Nachteilsausgleich, das Angewiesensein auf Hilfen – sei es medikamentös, sei es mechanisch –, ist der einzige grundlegende Unterschied zwischen »normalem« Leistungssport und den Paralympics.

Die Idee der Paralympics war ursprünglich einmal eine andere: Sie beginnt mit den Stoke-Mandeville-Spielen, die der Neurologe Ludwig Guttmann 1948 in England veranstaltete. Es war eine groß angelegte Rehabilitationsmaßnahme: Guttmann war überzeugt, dass den Kriegsinvaliden, die er betreute, Bewegung und Sport guttäten. 1960 wurde die Veranstaltung erstmals außerhalb Englands fortgesetzt, in Rom mit fast 400 Teilnehmer und Teilnehmerinnen aus 21 Ländern. Der Begriff Paralympics allerdings wurde erst 1984 eingeführt.

Inzwischen ist die Reha-Idee Guttmanns überholt. Ziel der Paralympics ist es, den behinderten Körper in die Geschichte des Sports mit ein­zuschreiben: zu zeigen, dass auch diese Körper fähig sind, dass Menschen mit Behinderung nicht ausschließlich Opfer sind. Das Problem dieses Empowerments ist, dass es verdeckt, wie sehr solche Normierungsprojekte Ausschlüsse produzieren, also wiederum Behinderung hervorbringen.

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