Wohnungspolitik ist das zentrale Wahlkampfthema in Berlin

Wahlkampf ums Wohnen

Ein Blick in die Wahlprogramme der größeren Parteien zum Thema Wohnpolitik.

Bezahlbarer Wohnraum ist knapp, auch und gerade in Berlin. Eine Analyse des Online-Portals Immowelt kam jüngst zu dem Ergebnis, dass die Angebotsmieten für freie Wohnungen in den vergangen fünf Jahren in keiner deutschen Stadt stärker gestiegen waren als in der Hauptstadt – nämlich um 42 Prozent. Am 26. September wird nicht nur der Deutsche Bundestag, sondern auch das Berliner Abgeordnetenhaus gewählt. Zusätzlich wird im Land Berlin über den Volksentscheid »Deutsche Wohnen und Co. enteignen« abgestimmt, der eine Vergesellschaftung großer Wohnungsunternehmen vorsieht. Das Thema ist in Berlin derart drängend, dass sich ein Blick in die Wahlprogramme der größeren Parteien lohnt.

Alle Parteien sind sich einig: Es sollen mehr neue Wohnungen gebaut werden. Die SPD und FDP streben 200 000 neue Wohnungen bis 2030 an, die CDU gleich 300 000 bis 2035. Die Linkspartei will bis 2026 knapp 100 000 Wohnungen bauen lassen, von denen 75 Prozent Sozialwohnungen sein sollen. Die Grünen wünschen sich jährlich 20 000 neue Wohnungen; ihnen ist wichtig, dass Neubauten ökologisch sind, sie wollen aber auch die Finanzmittel für sozial geförderten Wohnungsbau aufstocken.

Die derzeit regierende Koalition aus SPD, Linkspartei und Grünen plant, die Zahl der Wohnungen der landeseigenen Wohnungsunternehmen zu ­erhöhen und die bestehenden Milieuschutzgebiete auszuweiten. Um das dort geltende Vorkaufsrecht der Bezirke besser ausüben zu können, wollen Grüne und SPD zudem einen Fonds einrichten. In Berlin gibt es etwa 70 Milieuschutzgebiete, in denen die vorhandene Bevölkerungsstruktur durch ­verschiedene behördliche Eingriffsmöglichkeiten in die Verfügungsrechte der Wohnungseigentümer erhalten werden soll. Beispielsweise sind die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen sowie viele Modernisierungen dort seit langem genehmigungspflichtig. Der bisherige Senat hat diese Maßnahme gefördert und erweitert.

Trotz zahlreicher Räumungen, auch von linken Projekten, und der Ideen­losigkeit beim Schutz von Kleingewerbe hat die Berliner Landesregierung zumindest einen wirklich mieterfreundlichen Schritt gewagt, indem sie nämlich einen sogenannten »Mietendeckel« bis zum Jahr 2025 beschloss. Dass sie zumindest versucht hat, gegen steigende Mieten und Wohnungsknappheit vorzugehen, kann man ihr also nicht absprechen. Zuletzt entschied sie, dass stadtweit die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen genehmigungspflichtig wird. Freilich wurde der »Mietendeckel« vom Bundesverfassungsgericht als außerhalb der Kompetenzen des Landes liegend angesehen und kassiert, viele Mieter mussten deshalb Nachzahlungen leisten. Immerhin stellt der Senat hierfür Darlehen zur Verfügung.

Die SPD verspricht, den Kurs beizubehalten. So soll das Zweckentfremdungsverbot beibehalten werden, das verhindern soll, dass Mietwohnungen statt zum Wohnen beispielsweise zur Untervermietung als Ferienwohnungen genutzt werden; die Milieuschutzgebiete sollen ausgeweitet werden.

Die SPD-Spitzenkandidatin Franziska Giffey stellt sich allerdings klar gegen den Volksentscheid »Deutsche Wohnen und Co. enteignen«. Auch wenn dieser Erfolg haben sollte, werde es mit der SPD keine Vergesellschaftung geben, sagte Giffey. Das sei für sie auch Koa­litionsbedingung. Stattdessen wolle man Wohnungsbau fördern und die Mietpreisbremse besser nutzen.

Recht progressiv kommt die Linkspartei daher. Die Regierungspartei will die »Berliner Linie« abschaffen – eine Verordnung, der zufolge alle besetzten Häuser innerhalb von 24 Stunden geräumt werden – und Hausbesetzungen nach einem Jahr Leerstand legalisieren. Insgesamt möchte sie in diesem Bereich die bisherige Politik des Senats fortsetzen und noch verschärfen. So unterstützt die Linkspartei als einzige das Enteignungsbegehren. Auch sollen zum Beispiel Eigenbedarfskündigungen deutlich erschwert werden.

Franziska Dams, Fachanwältin für Miet- und Wohnungseigentumsrecht in Berlin, sagt dazu gegenüber der Jungle World: »Das klingt alles toll, aber auch sehr utopisch.« Dass man sich Gedanken über die Anforderungen bei Eigenbedarfskündigungen macht, sei aber zu begrüßen. Davon seien nach Ablauf von Kündigungssperrfristen viele Mieterinnen mit geringen Mieten betroffen, ohne dass diese eine wirkliche juristische Handhabe besäßen, so Dams.

Den Grünen scheint das Thema weniger wichtig zu sein, sie widmen ihm acht von 231 Seiten, also 3,5 Prozent ­ihres Programms. Auch sie sind gegen die Vergesellschaftung großer Wohnungsunternehmen und wollen nur den »Druck des Volksbegehrens« nutzen, wie ihre Spitzenkandidatin Bet­tina Jarasch sagte. Ginge es nach den Grünen, sollen sich Vermieterinnen freiwillig zu einem fünfjährigen Mietenmoratorium verpflichten und für drei Jahre auf die Auszahlung von Dividenden verzichten. Außerdem strebe man langfristig an, die Hälfte des Wohnungsbestands in der Stadt gemeinwohlorientiert zu bewirtschaften.

Wie die SPD sind auch die Grünen gegen die Vergesellschaftung großer Wohnungsunternehmen, sie wollen nur den »Druck des Volksbegehrens« nutzen, wie ihre Spitzenkandidatin Jarasch sagte.

Ansonsten findet sich im Programm der Plan, bei Sozialwohnungen einen einkommensabhängigen Mietzins zu etablieren, der »spürbar« unter den Vergleichsmieten liegen soll, sowie die Forderung, die Modernisierungsumlage »in ihrer jetzigen Form« schrittweise abzuschaffen. »Die Gefahr bei der kompletten Abschaffung der Umlage ist, dass Vermieter*innen nur noch zwingend notwendige Instandsetzungsmaßahmen durchführen«, kommentiert Franziska Dams. Generell sei es aber positiv, dass hier Änderungen erfolgen sollen.

Ein wenig aus der Zeit gefallen wirken die Ideen der FDP. Milieuschutz, Zweckentfremdungsverbot, »Mietpreisbremse« und Vorkaufsrechte sollen abgeschafft werden, dadurch würden keine neuen Wohnungen entstehen. Sicherheit gegen Verdrängung biete Eigentum, und um dieses zu fördern, möchte die FDP auch landeseigene Grundstücke privatisieren. Dams hält wenig von den Plänen: »Ein Recht auf Stadt für sozial Schwächere scheint es bei der FDP nicht zu geben.« Das Ziel der »Mietpreisbremse« sei zudem nie Neubau gewesen, vielmehr sollte sie urbanen Wohnraum für Ärmere bezahlbar halten. Das Programm der FDP hält Dams für völlig realitätsfern und nur auf Gutverdienende ausgerichtet.

Die CDU verspricht die Einführung eines Mietergelds, also eine Art Ausweitung des Wohngelds auf Bezieher mittlerer Einkommen im unteren Bereich, außerdem sollen 1 000 neue Aufzüge die Barrierefreiheit fördern. Auch die CDU will die Eigentumsquote in der Stadt erhöhen und vor allem ­Familien den Kauf einer eigenen Immobilie ermöglichen. Dams sagt dazu: »Aufzüge unter Barrierefreiheit zu verbuchen, ist allein schon absurd. Dabei gäbe es an echter Barrierefreiheit einen riesigen Bedarf.« Dort stellten sich viele Vermieter und Vermieterinnen quer, auch die städtischen. Der Einbau eines Aufzugs führe in der Regel zu ­einer nicht unerheblichen Mietsteigerung, auch wegen der Betriebskosten.

Vermutlich ist der beste Wahltipp für die Mieterinnen und Mieter der Stadt, dem Vergesellschaftungsbe­gehren trotz seiner ungewissen Erfolgschancen zuzustimmen – und wenn es nur dazu dienen sollte, Druck auf die nächste Regierung auszu­üben.