Die Klimastreikbewegung steckt in der Krise

Die Klimawelle

Auch in der Schweiz protestierten in den vergangenen Jahren Zehn­tausende junge Menschen für den Klimaschutz. Doch inzwischen steht die Bewegung vor Problemen.

Von einer »historischen Klima-Demo« sprach später Greenpeace: 100 000 Menschen gingen am 28. September 2019 in Bern auf die Straße. Einen Monat später gewannen bei den Nationalratswahlen die Grünen (GPS) mit 13,1 Prozent der Stimmen 28 Parlamentssitze, fast doppelt so viele wie bei der vorherigen Wahl 2015. Auch die Grünliberale Partei verbesserte ihr Ergebnis von 3,2 auf 7,8 Prozent. Die Medien schrieben von einer »grünen Welle«.

»Meiner Ansicht nach brauchen wir eine duale Strategie: eine breite gesellschaftliche Bewegung und direkte Aktionen.« Jonas Kampus, Klimastreik Schweiz

Doch als im Mai dieses Jahres die Organisation Klimastreik Schweiz gemeinsam mit linken und feministischen Gruppierungen und den größten Schweizer Gewerkschaften zu einem Aktionstag aufrief, nahmen daran landesweit nur noch 30 000 Menschen teil – was nicht nur an der Covid-19-Pandemie, sondern auch am vielerorts strömenden Regen gelegen haben dürfte. »Die Einschränkungen der Coronazeit waren unglaublich hart für uns. Wir haben damit gekämpft, wie wir weitermachen sollen«, sagt Jonas Kampus von Klimastreik Schweiz der Jungle World. Er ist Mitglied der schweizerischen Jusos, der eigenstän­digen Jugendorganisation der Sozial­demokratischen Partei der Schweiz (SP), und war 2018 mit 17 Jahren von Beginn an Teil der Klima­streik­bewegung.

Am 13. Juni wurde eine von Bundesrat und Bundesversammlung beschlossene Revision des Klimaschutzgesetzes per Volksabstimmung mit 51,5 Prozent der Stimmen abgelehnt. Das Gesetz sah unter anderem eine Erhöhung der CO2-Abgabe für Unternehmen sowie eine Verteuerung von Flugtickets und Benzin- und Dieselimporten vor. So sollte der CO2-Ausstoß der Schweiz bis 2030 im Vergleich zum Jahr 1990 halbiert werden. Fast alle Parlamentsparteien und selbst wichtige Unternehmensverbände hatten das Gesetz unterstützt. Doch die rechtspopulistische Schweizer Volkspartei (SVP) strengte, unterstützt von Wirtschaftsverbänden wie der Erdölkonzern-Lobbyorganisation Avenergy Suisse, ein Referendum an. Die populistisch geführte Kampagne stellte das Gesetz mit Slogans wie »Teuer. Nutzlos. Ungerecht.« und »Autofahren nur für Reiche« als finanzielle Belastung dar.

Zum Verhängnis wurde dem Gesetz auch, dass in derselben Abstimmung über zwei Gesetze zur Verringerung des Einsatzes von Pestiziden und Antibiotika in der Landwirtschaft entschieden wurde, gegen welche die Bauernverbände, ebenfalls erfolgreich, opponiert hatten. Die Abstimmung wurde so als Ausdruck eines politischen »Stadt-Land-Grabens« gedeutet. Die SVP hetzte bereits seit Monaten rhetorisch gegen die »Schmarotzer-Politik der links-grünen Städte«.

Die Klimabewegung sah das CO2-Gesetz ebenfalls kritisch, es gab innerhalb von Klimastreik Schweiz heftige Kontroversen. Vor allem in der französischsprachigen Westschweiz warben Sektionen schließlich für eine Ablehnung, in der deutschsprachigen Schweiz unterstützte die Organisation das Gesetz mehrheitlich, jedoch ohne sich besonders dafür einzusetzen. »Es war ein schlechtes Gesetz. Aber es war das Maximum, was man in einem von bürgerlichen Parteien dominierten Parlament herausholen kann«, meint Kampus. »Das Scheitern des Gesetzes hat die Klimabewegung dennoch geschwächt. Man kann jetzt an nichts mehr in der institutionellen Politik anknüpfen.«

Wegen des Demonstrationsverbots zu Beginn der Pandemie hatte es schon im vergangenen Jahr einige Aktionen gegeben, die Anhänger der Klimastreikbewegung als Formen zivilen Ungehorsams verstehen. Anfang August besetzte der Zusammenschluss »Rise up for Change« kurzzeitig die Eingänge der Großbanken UBS und Credit Suisse in Zürich. Der Aufruf zu der Aktion zeigt einen Mann im Anzug, der sich eine Zigarre an der brennenden Erdkugel entzündet – als seien vor allem Bankmanager für den Klimawandel verantwortlich. Begründet wird die Aktion allerdings mit der bedeutenden Rolle schweizerischer Investmentbanken in der Weltwirtschaft. »Meiner Ansicht nach brauchen wir eine duale Strategie«, sagt Kampus, »eine breite gesellschaftliche Bewegung und direkte Aktionen.«