Was Guy Debords Begriff des Spektakels heute noch leistet

Nichts ist mehr das Gegenteil von irgendetwas

In einer Zeit, in der eine erdrückende Irrationalität um sich greift, kann Guy Debords Begriff des Spektakels für etwas Klarheit sorgen.

In einer Zeit großer Veränderungen ist jede kritische Theorie der Gesellschaft damit konfrontiert, dass der Gegenstand, auf den sie zielt, ständig in Bewegung ist. Erschwerend kommt hinzu, dass sich die Gegenwart durchgängig durch eine erdrückende Irrationalität auszeichnet und die einzige Aussicht darin zu bestehen scheint, dass es immer noch schlimmer kommen kann. Wenn jeder neue Tag eine neue Kata­strophe mit sich bringt, liegt das Grauen in dem Rhythmus, mit dem wir ohne Zeit und Reflexion an eine neue Normalität gesellschaftlicher Amnesie gewöhnt werden.

Im Jahr 2021 auf Guy Debords »Die Gesellschaft des Spektakels« von 1967 zurückzukommen, scheint abwegig. Denn wie Gegner des Buchs meinen, handelt es sich um eine Kritik des Nachkriegskapitalismus, deren zentrale Motive – Konsumgesellschaft, Werbung, die Passivität des Zuschauers, vorkapitalistische Romantik, Entfremdung – vollständig an unseren heutigen so­zialen Katastrophen vorbeigehen: wirtschaftliche Verelendung, Gespenster des Faschismus, ökologischer Zusammenbruch. Doch wenngleich die erstgenannten Motive in der neueren Forschung in den Hintergrund getreten sind, soll hier untersucht werden, ob eine kritische Theorie kapitalistischer Gesellschaft, die eine einzigartige Form der sozialen Beherrschung durch Bilder, Repräsentationen und Erscheinungen hervorhebt, in derart inkohärenten Zeiten nicht eine gewisse Ko­härenz bieten kann.

Immer stärker isoliert in den Mauern ihrer Domizile, haben die Menschen Zugang zu einer nie dagewesenen sozialen Kommuni­kation. Eine Synthese aus dem bornierten Landleben und dem Kosmopolitismus der industriali­sierten Kultur macht sich breit.

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