Der Verleger Dirk Ippen hat eine ­Reportage über Julian Reichelt gecancelt

Käse statt Kritik

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Das nennt man dann wohl unkritischen Journalismus. Das Rechercheteam »Ippen Investigativ« des Zeitungsverlegers Dirk Ippen hatte über Monate hinweg zu den Vorwürfen recherchiert, dass Julian Reichelt, der ehemalige Chefredakteur der Bild-Zeitung, seine Macht über jüngere Mitarbeiterinnen missbraucht habe. Die Ergebnisse sollten in einer exklusiven Erstveröffentlichung in der zu Ippens Mediengruppe gehörenden Frankfurter Rundschau erscheinen – noch vor dem 18. Oktober, dem Tag, an dem Reichelt von der Axel Springer SE entlassen wurde. Doch Ippen verhinderte die Veröffentlichung, die man den Quellen zugesagt hatte. Es solle nicht der Eindruck entstehen, »wir wollten einem Wettbewerber wirtschaftlich schaden«, hieß es in einer Stellungnahme.

Damit war der 81jährige Unternehmer, der einst erklärt hatte, dass Lärm für das Geschäft nicht gut sei, eher unfreiwillig ins Rampenlicht geraten. Ippen war 1968 über seinen Vater, einen Mitverleger des Westfälischen Anzeigers, dort als Juniorpartner eingestiegen. Heutzutage gehören ihm neben der Frankfurter Rundschau, der Münchner Merkur und die Münchner Boulevardzeitung TZ sowie viele weitere vorwiegend regionale Titel. Hinzu kommen mehr als 20 Anzeigenblattverlage mit knapp 100 Anzeigenzeitungen. Dabei kaufte er oft sanierungsbedürftige Blätter auf und forcierte dort die Orientierung auf Bodenständigkeit. Ippen sorgte dafür, dass sich die Blätter auf ihr lokales Kerngeschäft und die Vermittlung eines »Lebens- und Heimatgefühls«, so die FAZ, konzentrierten. Mit diesem Kurs fuhr der zum »König der Käseblätter« ernannte Verleger gut. Seine Zeitungen hielten solide Auflagenzahlen. Ippen kaufte stets zu, sein Imperium teilte er zusehends an Verwandte und Familienmitglieder auf.

In seiner Kolumne »Wie ich es sehe« hält er »Kontakt zu den Lesern«. Den Mindestlohn bezeichnete der »ordoliberale Marktwirtschaftler« darin als einen »Irrweg« und eine Angelegenheit, die sich »von selbst« regeln werde. Als Redner bei der Verleihung des Wächterpreises der deutschen Tagespresse gab er sich 2011 als Verfechter von Pressefreiheit und kritischem Journalismus. Der Artikel über Reichelt aber soll nun endgültig in keinem seiner Blätter erscheinen.