Der Gesundheits- und Fitnesskult der US-amerikanischen Rechten

Sonne und Stahl

Bei US-Rechten macht sich ein Fitness- und Gesundheitskult breit. Einer der prominentesten Vertreter dieser Strömung nennt sich Bronze Age Pervert und träumt vom Zusammenbruch der Zivilisation.

Als »Graswurzelbewegung moderner Pioniere« beschreibt sich die Gruppe »Praxis«. Ihr Ziel sei es, einen »Krypto-Stadtstaat« aufzubauen, in dem man frei wäre »von allen Institutionen, die unser Wachstum zu begrenzen versuchen«. Die Idee, weitgehend autonome Ministaaten zu gründen, treibt rechts­libertäre Ideologen schon länger um. Dass mit »Praxis« ein weiteres Projekt dieser Art bereits 4,2 Millionen US-Dollar von verschiedenen Investoren erhielt, ist eigentlich kaum der Rede wert. Bemerkenswert ist allerdings der Anspruch des Projekts, wie er in einem programmatischen Text formuliert wurde. »Unsere Zivilisation ist krank«, liest man dort, »die Welt ist gestört und verfallen.«

Besonderen Hass pflegt BAP gegen Asiaten, die schon immer die schlimmsten Tendenzen der Zivilisation verkörpert hätten.

Eine vitale Zivilisation produziere »gesunde, starke und schöne Menschen«. Doch heute sehe man überall »zivilisatorischen Verfall«, man lebe »in einer Ära der Fettleibigkeit«. Der Menschheit drohe ein schlimmes Schicksal: »verkümmerte Körper, in Gel aufbewahrt, mit synthetischer Insektenpaste gefüttert, ihr Geist beschäftigt von den belanglosen Vergnügungen eines konzerngesteuerten Metaversums«. Die selbst­ernannten Pioniere von Praxis sehen sich dagegen in der »Abstammung von den Menschen, die Rom und Athen gebaut« haben. »Wie Wölfe sind Stämme von Pionieren notwendigerweise muskulös«, schreiben sie, nur so könnten sie »den göttlichen Auftrag erhalten, eine Stadt zu bauen«.

Die britische Zeitschrift Spectator merkte kürzlich in einem Artikel über »Praxis« an, man habe es hier mit einer neuen Strömung der politischen Rechten zu tun, deren Anhänger man als »neoklassische Reaktionäre« bezeichnen könne. Das Ganze ließe sich »ungefähr als Nietzsche meets Bitcoin« beschreiben. Einer der wohl einflussreichsten Vertreter dieser Strömung nenne sich »Bronze Age Pervert« (abgekürzt BAP), ein anonymer Autor und Podcaster, der 2018 unter diesem Pseudonym das Buch »Bronze Age Mindset« ver­öffentlichte.

Dass »Vitalität« auch für BAP wichtig ist, zeigte sich schon auf seinem Twitter-Account, wo er regelmäßig Fotos junger Muskelprotze postete. In seinem Buch schreibt er, er »poste diese mächtigen, schönen Bilder von männlichen Models mit ihrer unglaublichen Vitalität und Jugend«, weil sie »auf eine ursprüngliche Ordnung« verwiesen. Seinen Anhängern empfiehlt er »ein Regime von Sonne und Stahl«, also frische Luft und Gewichtheben, nicht zuletzt um sich für »Kampf und Krieg« zu stählen.

Dem Claremont Institute, einem rechten Think Tank mit Sitz in Kalifornien, schien BAPs Buch wichtig genug, um 2019 gleich eine ganze Reihe verschiedener Essays darüber zu publizieren. Den Auftakt machte Michael Anton, der unter Präsident Donald Trump eine Zeitlang Direktor für strategische Kommunikation beim National Security Council war, dem wichtigsten sicherheitspolitischen Organ der Exekutive. In seinem langen Text setzte sich Anton äußerst respektvoll mit BAPs Thesen auseinander. Diese teile er zwar nicht, doch schließt er mit dem resignierten Urteil, dass der klassische Konservatismus den »spirituellen Kampf um die Herzen und Köpfe der entfremdeten rechten Jugend verliert. Und BAPismus ist dabei, zu gewinnen.«

Das mag übertrieben sein, doch um eine Art Kultbuch der extremistischen, jungen Trump-Anhänger handelt es sich bei Bronze Age Mindset anscheinend schon. Die im Buch vertretenen Thesen sind teilweise absurd, der Tonfall ironisch, doch das dahinterstehende Weltbild ist eindeutig: Nicht nur die moderne Gesellschaft, sondern Zivilisation an sich sei ein Übel, denn sie bedeute die Herrschaft der Minderwertigen über die »Wohlgeratenen«.

Dass diese biologistische Weltsicht rassistisch ist, dürfte nicht überraschen. Afrikaner hält BAP für minderwertige Wesen, ihre Städte seien die »Latrinen der Welt«. Besonderen Hass pflegt er gegen Asiaten, die schon immer die schlimmsten Tendenzen der Zivilisation verkörpert hätten. Doch auch unter den Weißen seien die meisten geborene Untertanen – bugmen, »Käfermenschen«, so der vom Autor ständig wiederholte Ausdruck.

Das menschliche Ideal finde sich dagegen in soldatischen Männerbünden und Kriegerkasten. In seiner höchsten Form habe es das im antiken Griechenland gegeben, aber auch unter den europäischen Entdeckern der frühen Ko­lonialzeit, die Kontinente erobert und auf ihren Raubzügen ganze Zivilisationen zerstört hätten. Seit der Französischen Revolution aber gehe es bergab, heutzutage lebe man unter der totalitären Herrschaft »versteckter Mächte«. Diese hätten mittels demokratischer Demagogie die »Käfermenschen« zur gesellschaftlich dominanten Gruppe gemacht und alles Gute und Schöne erstickt.

Zum Ende seines Buchs gibt BAP überraschend pragmatische Ratschläge. Politisch solle man sich daran orientieren, »was funktioniert«, und das sei zuletzt vor allem Trump gelungen. Seinen Anhängern rät BAP, ihn und seine Lehren in der Öffentlichkeit zu verleugnen und die Bevölkerung mit harmlosem Auftreten für den Nationalismus zu gewinnen. Am besten sei es, der Armee oder den Sicherheitsbehörden beizutreten, denn der Zusammenbruch der gesellschaftlichen Ordnung sei nur eine Frage der Zeit. Bald werde eine Militärdiktatur errichtet werden, und dann bestehe Hoffnung, die dekadente Zivi­lisation abzustreifen und ein neues Zeitalter der »Freibeuterei« einzuläuten.

Das Claremont Institute gab BAP die Möglichkeit, in einem eigenen Text auf Anton zu antworten. Dort betonte BAP, dass »Vitalismus« das wichtigste Bollwerk gegen die Linke sei. »Die grundlegendste Funktion des Konservatismus in unserer Zeit« müsse es sein, für »Gesundheit, Normalität, und körperliche Vornehmheit« zu werben, gegen die linke »Zelebrierung von Missbildung, Fettleibigkeit und sexueller Perversion«.

BAP ist nur das extremste Beispiel für die Verbindung aus Fitnesskult und reaktionärem Nationalismus. Dahinter steht nicht nur ein Ekel vor dem zeitgenössischen Liberalismus mit seiner therapeutisch angehauchten Sprache und seiner Sorge um das Wohlergehen von Minderheiten – sondern ebenso vor der Konsumkultur, die junge Männer verführe und verweichliche.

Auch respektablere US-Rechte treiben solche Sorgen um. Der republikanische Senator Josh Hawley zum Beispiel warnt immer wieder vor der »Krise der ame­rikanischen Männer«. Die Linke sei schuld daran, dass junge Männer mit psychischen Problemen kämpften, nicht arbeiten gingen und ihre Zeit mit Videospielen und Pornos verschwen­deten, anstatt eine Familie zu gründen.

Wie es bei Nationalisten zu erwarten ist, steckt dahinter auch die Sorge um die Wehrhaftigkeit der Nation. Kürzlich hatte der Fox-News-Moderator Tucker Carlson, der jeden Wochentag die meistgesehene politische Sendung der USA moderiert, den Radiomoderator Jesse Kelly zu Gast. Dieser kritisierte die Pläne des US-Militärs, sich für Geschlechtergerechtigkeit einzusetzen. »Wir brauchen kein Militär, das frauenfreundlich oder schwulenfreundlich ist«, so Kelly, sondern Männer, »die auf einem Thron chinesischer Schädel sitzen wollen«. Passenderweise hat auch die chinesische Regierung vor einigen ­Monaten eine Kampagne begonnen, um das Ideal einer soldatischen Männlichkeit zu propagieren. Dazu gehört auch der Versuch, jungen Menschen die Videospiele auszutreiben. Nationalisten sind sich zwar feind, aber doch oft sehr ähnlich.