Valérie Pécresse sieht die ­französische Identität durch eine EU-Flagge am Arc de Triomphe bedroht

Identitär nationalistisch

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Nationalistinnen haben es nicht leicht. Ständig müssen sie sich über irgendetwas aufregen, das den »­Nationalstolz« verletzen könnte. So offenbar auch Valérie Pécresse, seit 2015 Präsidentin des Regionalrats der Region Île-de-France und seit dem 4. Dezember Präsidentschaftskandidatin der konservativen französischen Partei Les Républicains (LR). »Europa vorsitzen, ja; die französische Identität auslöschen, nein!« twitterte sie Ende vergangener Woche.

Die Angst vor Auslöschung ausgelöst hatte ein simples Stück Stoff: Am Arc de Triomphe in Paris wehte am 31. Dezember und 1. Januar die EU-Flagge, um den Beginn des EU-Ratsvorsitzes Frankreichs zu zelebrieren. Nicht nur Pécresse sah darin einen antifranzösischen Affront. »Ich bitte Emmanuel Macron feierlich, unsere Trikolore neben der Flagge Europas unter dem Arc de Triomphe wieder zu hissen. Das sind wir all unseren Kämpfern schuldig, die ihr Blut für sie vergossen haben«, ging ihr Tweet weiter.
Aufgeregt hatte sich unter anderem auch ihre rechtsextreme Konkurrenz im Präsidentschaftswahlkampf, Éric Zemmour und Marine Le Pen. Als die EU-Flagge wieder abgehängt worden war, begrüßte Letztere das gar als »schönen patriotischen Sieg« dank der »Massenmobilisierung aller Liebhaber Frankreichs und der Republik«. Die französische Regierung widersprach allerdings dieser Darstellung: Die Flagge habe sowieso nicht länger gehisst bleiben sollen.

Pécresse gilt als moderate Konservative, sie konnte sich bei der Wahl für die Präsidentschaftskandidatur von LR gegen den Rechtsaußenpolitiker Éric Ciotti durchsetzen. Doch offenbar versucht sie nun, auch weiter rechts Stimmen zu fischen. Ihr Claim für ihre Kandidatur lautet: »Für den wiederentdeckten französischen Stolz«. Jaques Chirac, als dessen Beraterin sie arbeitete, gilt als ihr politischer Ziehvater. Unter der Präsidentschaft Nicolas Sarkozys war sie 2007 bis 2011 Forschungs- und Hochschulministerin – ihre Hochschulreform hatte damals monatelange linke Proteste zur Folge – und anschließend bis Mai 2012 Haushaltsministerin. Als Wirtschaftsliberale nennt sie Margaret Thatcher als Vorbild, »zu zwei Dritteln« ­jedoch Angela Merkel. Umfragen von Montag zufolge würde Macron im ersten Wahlgang der Präsidentschaftswahl im April 26 Prozent der Stimmen bekommen, Pécresse und Le Pen jeweils 16 Prozent.