In Spanien ist die größte Salzwasser­lagune Europas von Verschmutzung bedroht

Toter Fisch in grüner Suppe

Im Mar Menor, der größten Salzwasserlagune Europas, sterben massenhaft Fische und andere Wassertiere. Umweltschützer machen vor allem die extensive Landwirtschaft in der südspanischen Region Murcia dafür verantwortlich.
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In der größten Salzwasserlagune Europas gibt es erhebliche Probleme. Das Mar Menor (Kleines Meer) hat eine Fläche von rund 170 Quadratkilometern und liegt in der Region Murcia in Südostspanien. Im August vorigen Jahres starben in dem Gewässer nach offiziellen Angaben rund fünf Tonnen Fische, Seepferdchen und andere Wassertiere. Umweltschützer schätzen, dass zehn bis 15 Tonnen Tiere zu Tode kamen.

Am Ufer der Lagune werden immer wieder tote Tiere gefunden. Im Oktober 2019 wurden nach offi­ziellen Angaben rund drei Tonnen Wassertiere ans Ufer gespült. Einer Hochrechnung des Vereins Asociación Hippocampus zufolge habe die Lagune bereits vor dem Vorfall im August vo­rigen Jahres 99 Prozent seiner Population des Langschnäuzigen Seepferdchens (Hippocampus guttulatus) verloren.
Viele Fischer, die in der Lagune tätig sind, fürchten um ihren Lebensunterhalt. Sie ziehen inzwischen häufig leere Netze aus dem Wasser. Die Roten Geißelgarnele (Parapenaeus longirostris, spanisch gamba blanca), die im Mar Menor als Delikatesse gefangen wird, ist längst Mangelware.

»Das Mar Menor der fünfziger Jahre, in dem es noch kristallklares Wasser gab, ist unwiederbringlich verloren.« Pedro Luengo, Biologe

Die Lagune leidet unter Eutrophierung: Ein Überschuss an Nährstoffen, vor allem an Nitrat, sorgt dafür, dass Algen und Bakterien sich stark vermehren. Diese verbrauchen große Mengen an Sauerstoff. Andere Pflanzenarten und Meerestiere können deshalb kaum noch überleben. Die Algen liegen an vielen Stellen des Gewässers wie eine Art grüner Teppich auf der Wasseroberfläche und verbreiten einen fauligen ­Geruch, viele sprechen von einer grünen Suppe (sopa verde).

Umweltschützer machen vor allem die intensive Landwirtschaft, die im Campo de Cartagena, einem an das Mar Menor angrenzenden Landkreis (comarca), betrieben wird, für die Eutrophierung verantwortlich. Dort werden unter starkem Einsatz von nitrathaltigen Düngemitteln unter anderem ­Tomaten, Gurken, Melonen und Zitrusfrüchte angebaut. Mehr als 37 Prozent des Bruttoinlandsprodukts des Campo de Cartagena entfallen auf die Landwirtschaft, 47 000 Arbeitskräfte sind in der Branche beschäftigt. Ein Großteil des in dem Landkreis angebauten Obsts und Gemüses wird exportiert, auch nach Deutschland.

Bei Starkregen wird nitrathaltiger Schlamm aus dem Anbaugebiet in die Lagune gespült. Auch dem Grund­wasser in dem Anbaugebiet verleiht das Düngen einen hohen Nitratgehalt. ­Viele Landwirte bewässerten ihre Böden jahrelang mit Brunnenwasser, das sie zuerst entsalzen mussten. Dabei bleibt eine nitrathaltige Lauge zurück, die einige Bauern über unterirdische Kanäle in die Lagune leiteten, wie die parami­litärische Polizei Guardia Civil bei Razzien feststellte. In den vergangenen Jahren legte die Guardia Civil zahlreiche illegale Brunnen in dem Anbaugebiet still. Die Umweltschutzorganisa­tion WWF schreibt in einem Bericht, mehr als zehn Prozent der rund 70 000 Hektar, die in der Nähe des Mar Menor für die intensive Landwirtschaft genutzt werden, würden illegal bewässert.

Die Düngemittel aus der Landwirtschaft hätten mit Abstand die negativsten Auswirkungen auf das Mar Menor, sagte der Biologe Pedro Luengo, der die Nichtregierungsorganisation Ecologistas en Acción (Ökologen in Aktion) leitet, der Jungle World. Nach dem Vorfall im August vorigen Jahres bildeten rund 70 000 Personen eine etwa 73 Kilometer lange Menschenkette um das Mar Menor, um gegen dessen Verschmutzung mit Düngemitteln zu protestieren.

Ende November vorigen Jahres begann vor einem Untersuchungsgericht in Murcia, der Hauptstadt der gleichnamigen Region, ein Prozess gegen drei ehemalige hochrangige Beamte der ­Regionalregierung. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen vor, 38 landwirtschaftliche Unternehmen im Campo de Cartagena nicht ausreichend kon­trolliert zu haben. Die Unternehmen sollen illegal Wasser aus der Lagune entnommen, entsalzt und zur Bewässerung ihrer Anbauflächen genutzt haben. ­Zudem sollen sie nitrathaltige Abwässer in die Lagune geleitet haben. Rund 25 Prozent der spanischen Böden gelten als nitratverseucht. Die EU-Kommission beschloss vorigen Monat, Spanien vor dem Gerichtshof der Europäischen Union zu verklagen, weil das Land gegen die Nitratrichtlinie der EU verstoße.

Auch hohe Temperaturen tragen zum Tier- und Pflanzensterben in dem Gewässer bei, denn bei Hitze sinkt der Sauerstoffgehalt des Wassers. Als im August vorigen Jahres massenhaft Meerestiere im Mar Menor verendeten, lag die Wassertemperatur in dem Gewässer wegen einer Hitzewelle über 30 Grad Celsius.

Die Regionalregierung von Murcia hat jahrelang kaum etwas gegen das Tier- und Pflanzensterben im Mar Menor getan. Luengo meint, die Regierung sei den Agrarunternehmen im Campo de Cartagena hörig, weil der Obst- und Gemüseexport so lukrativ sei. 2001 ließ eine vom konservativen Partido Popular (PP) gebildete Regionalregierung ein 1987 verabschiedetes Gesetz zum Schutz des Mar Menor annullieren. Danach wurde ein großer Jachthafen am Mar Menor errichtet. Die vielen Motorboote und Segeljachten, die das Gewässer befahren, stören dessen Regeneration. Die Landzunge La Manga (Der ­Ärmel), die die Lagune vom benachbarten Mittelmeer trennt, ist inzwischen dicht mit Hotels und Ferienhäusern bebaut. In den vergangenen Jahren gelangte im Sommer immer wieder ungeklärtes Abwasser in die Lagune, weil die Kläranlagen in der Gegend wegen der hohen Besucherzahlen in den umliegenden Hotels und Ferienhäusern überlastet waren.

Im Juli vorvergangenen Jahres ließ die vom PP geführte Regionalregierung das »Gesetz zur Erholung und zum Schutz des Mar Menor« beschließen. Es schränkt den Einsatz von Düngemitteln in einem Umkreis von 1 500 Metern um das Mar Menor stark ein. Umweltschützer kritisieren es, weil Düngung innerhalb dieses Umkreises bis auf 500 Meter Entfernung zu dem Gewässer weiterhin erlaubt ist, wenn dabei nicht mehr als 170 Kilo Nitrat pro Hek­tar und Jahr zum Einsatz kommen und »nachhaltige und präzise Landwirtschaft« (agricultura sostenible, y de ­precisión) betrieben wird – Umweltschützer klagen, die Regierung habe sich diesen Begriff ausgedacht, um intensive Landwirtschaft als ökologisch nachhaltig darzustellen. Sie monieren auch, der Haushaltsplan der Regionalregierung für das kommende Jahr sehe nicht genügend finanzielle Mittel für den Schutz und die Regeneration des Mar Menor vor.

Die spanische Umweltministerin Teresa Ribera vom sozialdemokratischen PSOE kündigte Mitte November vorigen Jahres an, die Zentralregierung werde binnen fünf Jahren rund 400 Millionen Euro für Schutz und Erholung des Mar Menor zur Verfügung stellen. Zuvor hatte der Ministerpräsident von Murcia, Fernando López Miras (PP), kritisiert, die Zentralregierung biete nicht genug finanzielle Unter­stützung zur Rettung der Lagune.

»Wir müssen ab sofort alles richtig machen. Wenn wir zu lange brauchen, um notwendige Maßnahmen zu ergreifen, wird es schwieriger werden, die Situation zum Besseren zu wenden«, sagte Luengo der Jungle World. »Noch kann man das Ökosystem retten. Aber das Mar Menor der fünfziger Jahre, in dem es noch kristallklares Wasser gab, ist unwiederbringlich verloren.«