Small Talk mit Gundula Oerter über rassistische Polizeiaktionen in Bremen

»Die Polizei ist an sich ein problematisches System«

Am 7. Januar 2005 starb Laye-Alama Condé an den Folgen einer Zwangsvergabe von Brechmitteln durch die Bremer Polizei. Die Initiative zum Gedenken an Laye-Alama Condé setzt sich seither für die Aufarbeitung ein und fordert, dass jene, die Condés Tod verschuldeten, die Verantwortung übernehmen. Die »Jungle World« sprach mit Gundula Oerter von der Initiative über rassistische Polizeiarbeit und -gewalt.
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Die Bremer Bürgerschaft hat 2020 beschlossen, einen Gedenkort für Condé zu errichten. Im selben Jahr ist das neue Bremer Polizeigesetz in Kraft getreten. Seitdem haben Personen, die die Polizei außerhalb einer Gefahren- oder allgemeinen Kontrollsituation überprüft, das Recht auf eine Bescheinigung über den Grund der Kontrolle. Das soll »racial profiling« entgegenwirken. Ist Bremen also ein Vorbild im Umgang mit behördlichem Rassismus?

Das würde ich so nicht sagen. Bremen ist Hauptstadt der Brechmittelfolter: Sie wurde hier erfunden und am häufigsten angewandt, selbst nachdem dadurch schon Achidi John in Hamburg getötet worden war. Es ist gut, dass die Bürgerschaft mittlerweile den Gedenkort beschlossen hat, aber es ist nicht ihr Verdienst. Den Gedenkort wird es nur geben, weil Aktivistinnen und Aktivisten viel Druck ausgeübt haben. Die Bestrebung, mit dem neuen Polizeigesetz anlasslose Kontrollen abzuschaffen, begrüßen wir, aber auch hier löst der Gesetzgeber eigentlich nur etwas ein, wozu er ohnehin verpflichtet ist. Denn Garan­tien für Transparenz und Kontrollierbarkeit von Behörden muss es in einem Rechtsstaat geben.

Vorige Woche hat ein Bremer Polizist gegenüber der »Taz« von Rassismus in der eigenen Behörde berichtet. Was war Ihre Reaktion, als Sie das ge­lesen haben?

Ich habe gedacht, wie wichtig es ist, dass es Whistle­blower gibt. Aber ich war nicht überrascht. 2020 ­wurden zum ­Beispiel rassistische, ­sexistische und homo­feindliche Vorfälle innerhalb der Bremer Feuerwehr bekannt. Gerade in geschlossenen Machtsystemen können Diskriminierungsstrukturen besonders gut gedeihen. Deshalb fühlen sich Rechte auch wohl bei der Polizei.

Machen Rassismusvorwürfe aus den eigenen Reihen mehr Druck, Aufarbeitung zu betreiben, als welche von außen?

Ja. Zwar wird auch dann immer behauptet, es han­dele sich um Einzelfälle, aber die Veröffentlichungen von Leuten aus den eigenen Reihen müssen schon ernst genommen werden. Trotzdem mache ich mir wenig Hoffnung, dass sich durch die jüngsten Vorwürfe in Bremen grundsätzlich etwas ändert. Die Polizei ist an sich ein problematisches System.

Neben der Initiative für Condé waren Sie auch im Bündnis Justice for Mohamed Idrissi aktiv, der 2020 von der Polizei in Bremen erschossen worden war. Wie haben Sie dort die Bereitschaft der Polizei erlebt, sich des Themas Rassismus anzunehmen?

Rassismus als Tathintergrund wurde komplett ­negiert. Das Bündnis wurde vielmehr von der Polizei für Kontextualisierungen scharf kritisiert, wie zum Beispiel für die Feststellung, dass Herr Idrissi noch leben würde, wenn er Hans Meier geheißen, in einem reichen Stadtteil gelebt und keinen langen Bart getragen hätte. Obwohl wir wissen, dass BIPoC-Personen mit psychischen Erkrankungen immer wieder Opfer von Polizeieinsätzen werden, gab es nur das übliche victim blaming, Vertuschung statt Aufklärung und die Einstellung der Ermittlungen – wie in anderen Fällen tödlicher Polizeigewalt auch.