Die großen Sportverbände schenken der neuen Pandemiewelle wenig Beachtung

Nur keine Welle machen

Für die großen Sportverbände ist die neue Covid-19-Welle kein großes Thema.
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Mit dem Infektionsgeschehen wächst auch wieder der Druck auf Sportverbände und -vereine, einen Abbruch des Spielbetriebs in Betracht zu ziehen. Während der Amateursport in einigen Teilen Deutschlands weitgehend ausgesetzt wurde, bereitet sich Anfang Januar der Profifußball auf die Rückrunde der Saison vor. Branchenprimus FC Bayern München musste zu Beginn der Rückrunde auf neun Spieler verzichten, die wegen Covid-19-Infektionen weder am Training noch am Spielbetrieb teilnehmen konnten. Eine Absage des Eröffnungsspiels der Rückrunde gegen Borussia Mönchengladbach vergangenen Freitag wurde zwar erwogen, jedoch nicht vollzogen.

In der deutschen Basketball-Bundesliga (BBL) wurde dagegen dem Antrag des amtierenden Meisters Alba Berlin stattgegeben, sein Spiel gegen die Basketball Löwen Braunschweig Anfang Januar zu verschieben. Ein Covid-19-Ausbruch im gesamten Team inklusive Betreuer hatte zu elf Infektionen geführt. »Den Betroffenen geht es gut, sie haben zum jetzigen Zeitpunkt durchweg keine oder nur milde Krankheitssymptome«, erklärte der Verein in einer Pressemitteilung. Zuvor war die Begegnung gegen Panathinaikos Athen in der Euroleague abgesagt worden. Der Grund: Zu viele Coronafälle in der griechischen Mannschaft.

»Wir müssen flexibel sein, es wird jede Menge Spielverlegungen geben.« Gernot Tripcke, Geschäftsführer der Deutschen Eishockey-Liga

»Warum wir jetzt mehr Infizierte haben als andere Clubs, kann ich ­Ihnen nicht sagen. Ich weiß, dass wir die Stäbchen relativ weit reinrammen, vielleicht ist das ein Punkt«, versuchte Julian Nagelsmann, der Trainer des FC Bayern München, die Coronafälle seines Teams in der Öffentlichkeit herunterzuspielen. Dabei stellt sich eigentlich eine völlig andere Frage: Weshalb hat das Münchner Gesundheitsreferat die verbliebenen Spieler nicht in Quarantäne geschickt? Zumal der positiv getestete Abwehrspieler Alphonso Davies zuvor noch mit den Kollegen trainiert hatte.

Als eine mögliche Erklärung für die vermehrten Fälle von Covid-19 in der bayerischen Mannschaft gelten die Urlaubsreisen der Profis. So soll sich Kapitän Manuel Neuer Medienberichten zufolge auf den Malediven infiziert haben. Trainer Nagelsmann plädierte für Eigenverantwortung seiner Spieler, da er »kein Erzieher, sondern Fußballtrainer« sei und die Kicker »in einem mündigen Alter sind«. Darüber hinaus sei es gar nicht möglich, ein Reiseverbot auszusprechen. Solange dies nicht »per Gesetz geregelt« ist, sei es keine Option für den 34jährigen Fußballlehrer.

Im deutschen Eishockey spitzt sich die Lage ebenfalls zu. Nach einem Covid-19-Ausbruch befinden sich 25 Spieler und Betreuer der Iserlohn Roosters in Quarantäne. Den Sauerländern stehen derzeit nur noch vier spielfähige Profis zur Verfügung. Auch den dreimaligen Meister Red Bull München traf es Anfang der vorigen Woche hart: Bei einem Routinetest wurden mehrere Spieler positiv auf Covid-19 getestet. Daraufhin ordnete das Münchner Gesundheitsreferat eine Isolation aller positiv ­getesteten Spieler sowie eine Quarantäne für die gesamte Mannschaft an. Das Halbfinalhinspiel der Champions Hockey League (CHL) zwischen den Bayern und Tappara Tampere wurde kurzfristig abgesagt.

Die Deutsche Eishockey-Liga (DEL) bereitet sich derzeit auf größere ­Terminprobleme vor. »Wir müssen flexibel sein, es wird jede Menge Spielverlegungen geben«, sagte der verantwortliche Geschäftsführer Gernot Tripcke dem Sport-Informations-Dienst. Die anstehenden Partien von Iserlohn und München wurden erst einmal abgesagt. Wann die Teams wieder antreten können, ist völlig offen.

Das Pandemiegeschehen beeinflusst auch die Vorbereitung der deutschen Handballnationalmannschaft vor der diesjährigen Europameisterschaft. Die beiden fest eingeplanten Testspiele gegen die serbische Nationalmannschaft mussten wegen mehrerer Coronafälle beim Gegner abgesagt werden. Die kroatische Nationalmannschaft muss im Turnier vermutlich auf ihre beiden Starspieler Domagoj Duvnjak und Luka Cindrić verzichten. Anfang Januar wurde bekannt, dass beide aufgrund positiver Coronatests ausfallen.

Nach den Regularien der Euro­päischen Handballföderation (EHF) müssten die Spieler 14 Tage in Isolation. Damit die Attraktivität des Turniers, das vom 13. bis 30. Januar stattfinden soll, nicht durch den Ausfall vieler Superstars in Mitleidenschaft gezogen wird, beschloss die EHF, die verpflichtende Isolation für positiv getestete Spieler zu verkürzen. Statt bislang nach 14 Tagen dürfen die Profis nun bereits nach fünf Tagen mit einem negativen PCR-Test zur Veranstaltung reisen. Nach einem zweiten negativen PCR-Testergebnis an Ort und Stelle sind die Spieler dann spielberechtigt.

»Ich hab schon immer gesagt, dass im Spitzensport schon seit Monaten immer ein sehr strenges Hygieneprotokoll herrscht und dass unsere Spieler sich im Prinzip schon alltäglich mit Hygienevorschriften beschäftigen«, entgegnete der Sportdirektor des Deutschen Handballbunds (DHB), Axel Kromer, im Dezember seinen Kritikern, um Skepsis vor der Europameisterschaft in der Slowakei und Ungarn zu zerstreuen. Dass für beide Länder Covid-19-bedingte Reisewarnungen des Auswärtigen Amts gelten und dass das vor zwei Monaten veröffentlichte Hygienekonzept der EHF nicht einmal eine geschlossene »Turnier-Bubble« beinhaltet, wurde unter den Teppich gekehrt.

Als positives Vorbild für die Europameisterschaft der Männer führte Kromer die Handballweltmeisterschaft der Frauen in Spanien an, die Anfang Dezember stattgefunden hatte. Bei diesem Turnier hätten sich die Infektionen »nie flächendeckend verbreitet«, sagte er. Das sorge dafür, »mit einem sehr guten Gefühl« zur bevorstehenden Europameisterschaft zu fahren.

Die Handballweltmeisterschaft war allerdings keineswegs so sorgenfrei, wie Kromer sie der versammelten Presse beschrieb. Der chinesische Verband zog sein Team vom Turnier zurück, weil es innerhalb seiner Delegation einen positiven Test auf Covid-19 gab. Das österreichische Team musste zeitweise nicht nur auf ein knappes Dutzend Spielerinnen verzichten, sondern auch auf seinen Trainer. Herbert Müller, unter dessen Leitung sich die Mannschaft zum ersten Mal seit zwölf Jahren für die WM qualifizieren konnte, musste das große Event vor dem Fernseher verfolgen. »Trotz doppelter Impfung hat es mich ziemlich erwischt«, beschrieb Müller seinen Krankheitsverlauf.

Neben ihm waren auch die beiden Spielerinnen Josefine Huber und ­Petra Blazek betroffen. Die beiden Österreicherinnen spielen für den Thüringer Handballclub (THC). Nach der WM wurde der deutsche Serienmeister dem MDR zufolge von einer »heftigen Coronawelle« erfasst. Beinahe das komplette Team sei betroffen, obwohl viele Spielerinnen und Betreuer schon die dritte Impfdosis erhalten hatten. Nach Angaben des Trainers könne man nicht genau nachverfolgen, wo sich die Betroffenen infiziert haben. Die einzige Möglichkeit, die ihm einfiel, war die Weihnachtspause, zu der viele Profis zu Hause gewesen seien. Dass einige seiner Spielerinnen kurz zuvor an der WM teilgenommen hatten, fand dagegen keine Erwähnung.

Langsam müsste klar sein, dass Impfungen allein nicht ausreichen. Die rasante Verbreitung des Virus und insbesondere der Omikron-Variante kann wohl nur aufgehalten werden, wenn die Reisetätigkeiten signifikant verringert und Massenveranstaltungen verschoben werden. Dieser Erkenntnis verweigern sich allerdings sowohl die Sportverbände wie auch die Vereine.